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Zigarre in Österreich

So steigert der Zigarrenhändler seine Verkaufserfolge (03.02.2019 - 11:24:09}

EXKURS

 

So steigert der Zigarrenhändler seine Verkaufserfolge 1

Im Jahr 1929 veröffentlichte der Deutsche-Zigarrenhändler-Bund ein kleines Büchlein mit Anleitungen zum Verkaufserfolg für Zigarrenhändler. Hier eine kleine Auswahl der Ratschläge:

Reklame, so heißt es, sei ein wertvolles Hilfsmittel zur Steigerung des Warenumsatzes, aber erst die Persönlichkeit des Verkäufers schafft die richtige Reklamewirkung. Der Deutsche Zigarrenhändler-Bund begrüßte dieses Werk, aus dem hier zitiert wird, mit den Worten: „Es ist richtig, dass kaum ein Gewerbezweig der deutschen Wirtschaft heute von so viel Sorgen und Nöten geplagt wird wie der Tabakwarenhandel. Die katastrophale Verwirrung in der Zigarettenwirtschaft, die neuen harten Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes, die beginnende Schleuderei mit Markentabaken, der illegale Handel, der Verkauf nach Ladenschluß...Es ist berechtigt, dass sich der Tabakwarenhandel dagegen wehrt."
Die Begleitworte der Generaldirektion der österreichischen Tabakregie mahnten eindringlich: „Achtet den Kunden! Achtet die Ware!"
Sehr penibel wurden in weiterer Folge - heute würde man wohl „Coaching" dazu sagen - die einzelnen Schritte erörtert, die zum Verkaufserfolg führen. Allen voran der Firmenname. Empfohlen wird „Zigarren-Müller" - das Produkt geht vor dem Namen. Damit ist man auch leichter zu finden. Und ein Wappenschild „Zigarrenhandlung" galt als Mahnung, das Zigarrengeschäft täglich bestmöglich zu beleben.
In der Folge widmet sich das Lehrbuch der Begrüßung des Kunden und einer Analyse des Kundentyps anhand der Haltung, mit der er seine Zigarre hält. Der „normale Kunde" ist dabei nicht der häufigste. Er ist unauffällig, sucht, prüft und kauft. Das Gegenteil ist der stets „unzufriedene Kunde". Ihm kann man es nie recht machen. Der „liebenswürdige, weltgewandte Plauderer" hält die Zigarre mit zwei Fingern und stützt sie mit dem Daumen. Der „Eigensinnige" hält seine Zigarre meist, indem er sie von oben mit dem Zeigefinger umklammert und unten mit dem Daumen stützt. Typisch für den „Skeptiker" ist das waagrechte Halten der Zigarre zwischen den zur Faust geballten Fingern. „Kampflustiges Hinaushalten der Zigarre in die Welt" wiederum ist rücksichtslosen Naturen eigen.
Erstaunlich modern wirken die Ansichten hinsichtlich der Gestaltung des Geschäftes. Sich mit ganzer Kraft dem Spezialangebot (in diesem Fall: Zigarren) widmen und sich damit einen Vorsprung gegenüber den „Gemischtwarenhandlungen" der Branche erarbeiten. Auch eine Analyse der Umschlagziffern und des rechnungsmäßigen Vorteils wird vorgeschlagen: „Betonen Sie durch die Ablehnung der bisherigen Nebenartikel nicht die allerstraffste Spezialisierung?" Andererseits: Nebenartikel gehören zum Kundendienst. Der Kunde verlangt von seinem Tabakhändler, dass er ihm auch mal eine Tabakpfeife verkaufen kann. Und wo der Kunde Zigaretten kauft, will er auch eine Zigarettenspitze erstehen können. Bekommt er das nicht, ist der Weg zum nächsten „leistungsfähigeren" Händler nicht weit. Allerdings dann eben nicht nur für den Zukauf, sondern für alles.
Das Zigarrengeschäft sei ein „Vertrauensgeschäft", heißt es weiter. Beratung, Qualität, Verfügbarkeit - das alles garantiert der Zigarrenhändler, zu dem Kunden immer wieder gerne zurückkehren.
Um das Zigarrengeschäft anzukurbeln, überlegte man damals eine Art Reklamesteuer, die jeder einzelne Zigarrenhändler aufbringt, die man zusammenlegt, um damit eine Art Kollektivreklame zu gestalten. Weil aber der Streuverlust wohl zu hoch gewesen wäre, ist man davon wieder abgekommen. Generell wird dazu allerdings angemerkt, dass es „ein Fehler der Zigarrenhändler sei, zu glauben, die Reklame für Markenartikel obliege nur dem Fabrikanten."
Mitunter schlugen aber die individuellen Werbemaßnahmen heftige Kapriolen: so wurde von einem Zigarrengeschäft der Auspuff eines Lieferautos zu einer mächtigen Zigarrenattrappe umgestaltet oder erschien ein Tanzpaar auf einer Veranstaltung als personifizierte Zigarre. Erstaunlich, aber wahr: selbst ein einfacher Werbebrief galt damals als „aus dem Rahmen fallende" Werbung für Zigarren.
Die „reiche Auswahl" sollte so angeordnet sein, dass das am häufigsten nachgefragte Produkt jenes sei, dass am nächsten zur Hand ist. Hinweisschilder an der Tür, dass neueste Produkte eingetroffen seien, waren damals noch erlaubt. (In Österreich haben sich mit dem EU-Beitritt durch eine unverständliche Initiative der eigenen Berufsvertretung jegliche solche werbliche Bemühungen erübrigt.)
„Der Geschmack geht durch das Auge", titeln die Autoren jenes Kapitel, in dem sie sich der Verpackung widmen. Erste Erkenntnis: besser als Zigarrenkisten auf dem Ladentisch zu stapeln (wir reden von 1929), ist es, diese schräg zu stellen.
Damals gab es einen Trend, der aus Amerika übergeschwappt war: man entfernte aus schönen, alten, gebundenen Büchern die inneren Seiten und daraus wird dann eine Schachtel fabriziert, in der man u.a. Zigarren präsentieren konnte. Das Titelblatt behielt man. So war es möglich, „Goethe-Zigarren" anzubieten. Gegner dieses Trends munkelten, dies sei der Versuch einer indirekten Wertsteigerung des Inhaltes, je nachdem wie wertvoll das Buch war, das man auf diese Weise skelettierte.
Noch einmal kommen die Autoren auf das Thema „Nebenartikel" zu sprechen. Viele Zigarrenhändler, so heißt es, würden danach trachten, durch Nebenartikel ihren Umsatz zu steigern. Natürlich nur passende Nebenartikel. So wurden damals als neue, aufregende Produkte angeboten u.a. Schirme, deren Griff als Zigarettendose eingerichtet war. Ein anderes Beispiel: es gab damals eine zerlegbare, dreiteilige Gesundheits-Trockenraucher-Pfeife /(Anm.d.Red.: Das sind solche, die durch bestimmte Vorrichtungen („Speichelfänger"), das Feuchtwerden des Tabaks verhindern sollen.).
Während man seitens der Interessensverbände der Zigarrenhändler daran appellierte, dass „kleine Geschenke nicht die Freundschaft erhalten sollten", spielte zu dieser Zeit die Probezigarre in Amerika eine große Rolle. Wurden neue Marken eingeführt, wurden Probezigarren in den umliegenden Haushalten verteilt. Einladungen zu 5-Uhr-Tees mit Bewirtung und Musik luden zum Verkosten von Zigarren. (Ein Prinzip, dass österreichische Großhändler nach dem EU-Beitritt sehr rasch übernommen haben und noch heute umsetzen.)

©Helmut Spreitzer

 

1 Lyon, Marcell: So steigert der Zigarrenhändler seine Verkaufserfolge, Eberswalde 1929
Bilder © JTI Collection, Web beigestellt

 

 


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