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Zigarre in Österreich

Fürstenfeld - Epizentrum der österreichischen Zigarrenproduktion (28.02.2019 - 10:35:41}

Der Zigarrenmarkt in Österreich

Kapitel 3/10

 

Fürstenfeld - Epizentrum der österreichischen Zigarrenproduktion

 

Die Geschichte der Stadt Fürstenfeld ist seit mehr als 300 Jahren eng mit Tabak und Rauchkultur verbunden. Die Anfänge der Fabrik in Fürstenfeld gehen auf den aus einer italienischen Kaufmannsfamilie stammenden Christoph Liscutin zurück. Liscutin hatte erkannt, dass ein in der Nähe angebauter Tabak billiger käme als ein aus Hamburg importierter und außerdem konnte man die Mautgebühren einfach umgehen. Er erwarb also einige Ländereien. Die spätere Fabrik entstand im Freihaus der Diözese Pöllau, der Pfeilburg, der man es abgekauft hatte. Liscutin begann mit dem Tabakanbau und zwei Jahre später errichtete er auch gleich eine Produktionsstätte am selben Ort. Die erste Tabakfabrik Österreichs war gegründet. Gleichzeitig war sie auch eine der ältesten weltweit.
Liscutin hatte sich aber nicht nur Freunde gemacht, denn die Bürger der Stadt Fürstenfeld standen dem Projekt ablehnend gegenüber. Warum, das ist auch leicht erklärt. Die arbeitende Bevölkerung wechselte mit fliegenden Fahnen zu Liscutin und die Bürger hatten plötzlich keine Arbeitskräfte mehr. Das lag vermutlich an einer besseren Entlohnung, jedenfalls drohte der Fürstenfelder Magistrat jedem „Tagwerker", der seine Arbeit bei einem Bürger verlässt und zu Liscutin wechselte, mit einer „Leibesstrafe". 1

Liscutin trachtete diese Auseinandersetzung dadurch beizulegen, dass er einen Vertrag mit den Bürgern von Fürstenfeld schloss, worin er pro Zentner abgelieferten Tabak sechs Gulden bezahlen wollte. Welche Dimensionen das Geschäft mit Tabak angenommen hatte, lässt sich etwa dadurch erkennen, dass ihm nur gestattet war, 8.000 Zentner Tabak anzubauen. Ende 1704 wurde allerdings der „Tabakappaltskontrakt" mit Liscutin aufgelöst, er selbst hielt sich ab da an nicht mehr in Fürstenfeld auf. Die Fortführung der Fabrik durch Ignatius Liscutin scheiterte 1710 daran, dass ihm kein Bürgerrecht verliehen worden war, was als Voraussetzung galt. 1723 wurde die Fabrik in Fürstenfeld zur kaiserlichen Fabrik erklärt. Nur solchen Fabriken war die Tabakwarenproduktion gestattet.
Schon in der Frühzeit der Fürstenfelder Produktion fanden Frauen und Kinder dort Beschäftigung. Der Tätigkeitsbereich der Frauen lag in der Zurichtung des Materials, der Einsprenge und der Verpackungen. Die Produktion war zu dieser Zeit noch großteils in Männerhand. Hundert Jahre später sollte sich das komplett umdrehen. Die Kinder arbeiteten hauptsächlich in der Spinnerei. 2

Nach mehreren Pächterwechseln erwarb 1776 der Staat das Areal am rechten Feistritzufer und baute es zur Tabakfabrik um. 1784 übernahm der Staat das Tabakgefälle auch in eigener Regie. In der Folge richteten die Franzosenkriege (um 1809) großen Schaden an. Der Finanzhaushalt erlaubte es trotz erhöhter Löhne in der Tabakfabrik kaum, eine Arbeiterfamilie zu ernähren. Das führte 1812 zu einem Tabakarbeiterstreik. Nachdem er niedergeschlagen worden war, wurden die geforderten Lohnerhöhungen bewilligt. Allerdings mangelte es der Fabrik nahezu an allem: an Personal für Fabriken, Magazine und Transport, an Anbaugebieten, weshalb sich Schwierigkeiten beim Rohtabaknachschub ergaben. Das führte zu minderer Qualität der Tabakwaren und Klagen der Konsumenten. 1813 war der Tiefpunkt des mengenmäßigen Absatzes von Tabakprodukten erreicht. Erst mit der Rückgewinnung des Monopols konnte sich das Unternehmen konsolidieren. Produktion und Preise stiegen. Das österreichische Tabakwesen erlebte eine Blütezeit. 3

Die Einführung der Zigarrenproduktion in großem Stil in Fürstenfeld - sie begann laut einer Administrationsanordnung bereits um 1820 (damals versorgte man vor allem die Konsumenten in Triest) - ging mit einer Zunahme der Gesamtproduktion und stark ansteigenden Mitarbeiterzahlen einher.
Zuvor musste aber noch ein kleiner Einbruch in der Qualität verarbeitet werden, der dazu geführt hatte, dass man aus Triest und Dalmatien die Zigarrenbestellungen stornierte. Hainburg konnte allerdings den hohen Zigarrenabsatz aus Illyrien und Triest nicht alleine stemmen. Also war man bestrebt, die Tabakfabrik Fürstenfeld zu einer qualitativen Zigarrenfabrik auszubauen. Das gelang schließlich Ende der 1830er Jahre. Und auch die Stimmung bei den Abnehmern der küstenländisch-dalmatinischen Kameralgefällsverwaltung war gestiegen. Sie vermeldete, dass die Abnehmer ausschließlich Fürstenfelder Zigarren verlangten. 1842 hatte Fürstenfeld bereits zwei Fünftel der gesamten Zigarrenproduktion der Monarchie übernommen.

 

Es gab drei Arbeitsschritte: die Zigarrenvorrichtung, Fabrikation und Verpackung. Das benötigte Werkzeug, Spinnbrett und Blattmesser, war meist Eigentum der Arbeiter.
In der Zigarrenvorrichtung sortierten die sogenannten „Vorrichterinnen" die Tabakblätter je nach ihrer Eignung für die Deckblätter - diese mussten groß und spannfähig sein -, für den Wickel - der bestand aus nicht so großen Tabakblättern - und für die Einlage, bei der weniger das Aussehen als das Aroma bestimmend war. Die Einlage wurde vorgefeuchtet, entrippt, gewalzt und getrocknet.
Die Vorrichterinnen reichten das Material an die „Puppenwicklerinnen" und „Spinnerinnen" weiter. Diese stellten die eigentlichen Zigarren her. Die Puppenmacherinnen, auch „Wicklerinnen" genannt, formten aus den Einlageblättern den Körper der Zigarre und umgaben ihn mit dem Wickelblatt. Die so entstandene Puppe musste mit der Hand leicht gerollt werden, damit sie ihre Form erhielt. Die Wickel kamen in Holzformen, in denen die Wickel mehrmals gepresst und gewendet werden. Anschließend wurden sie abgehobelt, d.h. die aus der Form ragenden Blatt-Teile wurden abgeschnitten.
Die Puppen wurden dann der Spinnerin übergeben, die den Puppenkörper mit dem Deckblatt umspann. Das Deckblatt war das teuerste Material der Zigarre. Es musste in feuchtem Zustand verarbeitet werden. Dabei wurde vor dem Verspinnen die Mittelrippe herausgelöst. Mit einem besonders geformten Rollmesser schneidet die Spinnerin aus dem Blatt einen Deckstreifen, der die entsprechende Form der späteren Zigarre hat. Anschließend wird dieser Deckstreifen auf den Zigarren-Wickel aufgespannt. Das erforderte sehr viel Erfahrung und Geschicklichkeit. Ist zu wenig Spannung, wird die Zigarre formlos, ist die Spannung zu stark, kann das Blatt reißen. Noch schwieriger ist das Überspinnen der Zigarrenspitze. Das Ende des Deckstreifens muss dabei schneckenförmig geschnitten, überrollt und durch Andrücken und Drehen in einer fingerhutartigen Kapsel geformt und geglättet werden.
Die Spinnerin steckte dann die fertigen Zigarren auf ein sogenanntes „Vorderbrettl". Die produzierten Zigarren wurden von der Übernehmerin eingesammelt, die Leistung der Arbeiterinnen in eine Liste eingetragen, die Zigarren zur Abwaage gebrachte und anschließend getrocknet und in Papier- oder Holzkistchen verpackt.
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Blicken wir an dieser Stelle auf die Volumina der Zigarrenproduktion in Fürstenfeld zurück. 1851 lag die Produktion bei 44,4 Millionen Stück. 1872 waren die Produktionszahlen auf über 100 Millionen Stück gestiegen.1896 verließen nur mehr 76 Millionen Stück die Fabrik. Bis zum Ersten Weltkrieg pendelten sich die Produktionsziffern zwischen 65 und 70 Millionen Stück ein. In der Ersten Republik gab es einen drastischen Rückgang. 1922 konnten nur mehr 47 Millionen Stück Zigarren produziert werden. Konsumrückgang und Rationalisierungsmaßnahmen senkten die Zahl auf 13 Millionen Stück im Jahr 1924. Die von den Arbeiterinnen geforderten Mehrleistungen ließen die Produktionszahl auf 38 Millionen Stück im Jahr 1931 steigen. Der Tiefpunkt wurde 1936 erreicht: nur mehr 10 Millionen Stück wurden gefertigt. Der Anteil Fürstenfelds an der Gesamtproduktion von Zigarren im gesamten Monopolgebiet schwankte in diesen Jahren zwischen 3,9 und 16,9 Prozent. 1938 gab es mit 19,3 Prozent Anteil den Höchstwert. Von den Sorten her wurden in Fürstenfeld für den allgemeinen Verschleiß damals die Regalitas, Trabucco, Havanna, Cuba, Portorico, Gemischte Ausländer (die Marke mit dem größten Absatz) und die Ordinäre Inländer erzeugt. Für die Spezialitätengeschäfte wurden die Regalia Media I bis III (die mit der höchsten Stückzahl), die feinste Portorico, die Galanes und die Damas erzeugt. 5


1855 wurde Fürstenfeld zu einer Tabakfabrik zweiter Klasse aufgewertet. Im Ranking der Gesamtproduktion lag damals Hainburg in Führung, Fürstenfeld belegte den sechsten Platz.
Eine neuerliche Ausweitung des Betriebes erfuhr Fürstenfeld mit der Aufnahme der Zigarettenproduktion im Jahr 1873. Für die Tabakfabriken wurde ein neues Organisationsschema ausgearbeitet und Fürstenfeld fiel in die Reihe der Hauptfabriken zweiter Kategorie.
Rund 20 Jahre später setzte in der Zigarrenproduktion die Mechanisierung ein. Die ersten kleinen Wickelmaschinen und die ersten Puppenformpressen fanden in der Fabrik Verwendung. Bis zur Jahrtausendwende steigerte sich die Anzahl der Deckstreifapparate, Wickelmaschinen, großen und kleinen Puppenpressen, Bündelmaschinen, Paketiermaschinen, Kistchenpressen, Adler- und Spiegelpressen auf an die 600 Stück. Das förderte die Produktion, an der händischen Arbeitsmethode änderte sich dadurch aber nichts. Um 1891 wurde der Fabrik in Fürstenfeld eine Phönixmaschine zur Erzeugung von Stumpen zugewiesen.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es naturgemäß zu Rückgängen beim Zigarrenkonsum. Nicht nur, weil die Zigarren recht teuer waren, sondern auch, weil sich die Zigarette im Vormarsch befand. Die Generaldirektion dachte deshalb über eine Rationalisierung bei der Zigarrenproduktion nach, die allerdings nicht auf Kosten der Arbeiterinnen gehen sollte. Man zielte vielmehr darauf ab, die Rohstoffpreise um 10 Prozent zu vermindern und die Herstellungskosten zu senken. Um letzteres zu erreichen, wurde das sogenannte „amerikanische System" eingeführt.

 

Das amerikanische System sah vor, den Rohtabak schon in der Vorrichtung so sorgfältig zu bearbeiten, dass keine Sträußcheneinlage verwendet wurde, sondern glatt vorgearbeitetes Wickelmaterial. Dadurch ließ sich die Zigarre leichter verarbeiten und eine Wicklerin konnte die Arbeit von zwei Spinnerinnen erledigen. Das Pressen der Puppen erübrigte sich dadurch übrigens vollständig. 6

 

Eine weitere Maßnahme war die Forderung nach Mehrleistung durch die Arbeiterinnen. Je nach Sorte schafften die Arbeiterinnen zwischen 30 und 46 Prozent mehr Leistung. Umgerechnet bedeutete dies etwa zwischen 1923 und 1932, dass eine Arbeiterin statt 46.000 Stück jetzt 63.000 Stück produzieren musste. Eine ungeheure Mehrbelastung. Gleichzeitig aber sanken die Verschleißziffern Ende der 1920er Jahre um 38 Prozent. Die Besorgnis über den Fortbestand der Fabrik wuchs. Selbst der christliche Tabakarbeiterverband rief angesichts der Gefährdung von Arbeitsplätzen durch den rückläufigen Zigarrenkonsum die Bevölkerung zum Zigarrerauchen auf. Dennoch konnte die Erzeugung nicht mit den Verschleißrückgängen in Einklang gebracht werden. Deshalb wurde die „Rollmethode" eingeführt, inklusive weiterer Mehrleistungen durch die Arbeiterinnen. 7

Gesellschaftlich zeichnete sich damals schon der Übergang vom Zigarren- zum Zigarettenkonsum ab, weswegen die Zigarettenproduktion forciert wurde. Es zählten nur leistungsstarke Maschinen - der Übergang von der Manufaktur zur industriellen Produktion war gemacht. Klar ist natürlich auch, dass die Steigerung der Produktion mit einem erhöhten Tabakkonsum der Bevölkerung einherging. Pro Kopf gaben damals die Konsumenten etwa 5 Gulden für Tabak aus. 8

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges setzte eine Inflation ein. Lebensmittelpreise und Löhne drifteten auseinander. Die Tabakregie gewährte Teuerungszulagen, was aber auch nicht sonderlich half. Der Tabakbedarf erhöhte sich ab Kriegsbeginn dramatisch. Schon während der Mobilisierung wurden „Liebesgaben" an die einrückenden Soldaten gereicht. Jeder Soldat hatte Anspruch auf 35 g ordinären Rauchtabak. Später änderte man diese Zuteilung auf das Anrecht auf 10 Zigaretten, was wiederum diesen Produktionszweig ankurbelte. Gleichzeitig wurde die Zigarrenproduktion zurückgefahren.


Nach dem Krieg lag die österreichische Tabakwirtschaft darnieder. Tabakanbaugebiete in Galizien waren weggefallen, die Zufuhr von Überseetabaken war unterbunden, der Rohstoff Tabak wurde knapp, denn die Vorräte reichten kaum noch aus. So sah sich die Tabakregie gezwungen, Tabak zu strecken und setzte Buchenlaub zu. Schließlich konnte die Zivilbevölkerung nicht mehr ausreichend mit Tabakwaren versorgt werden. Raucherkarten wurden ausgegeben. 9

Dass die Fabrik nach dem Zerfall der Monarchie nicht stillgelegt wurde, lag einzig daran, dass im Rahmen des Wiederaufbaugesetzes 1922 ein Generalsanierungsprogramm für die Tabakregie vorgesehen war, wobei die Einnahmen der Fabrik als Sicherheit für das Darlehen des Völkerbundes herhalten mussten. Rationalisierung bedeutete auch immer die Reduktion von Arbeitsplätzen und Fürstenfeld war von dieser Maßnahme sehr stark betroffen, weil dort Zigarren hergestellt wurden. Dies war Handarbeit und der Konsum von Zigarren war darüber hinaus rückläufig. Dann wurde der Schilling als Währung eingeführt, die Inflation konnte eingedämmt werden, die Tabakindustrie erlebte einen Aufschwung. Der dauerte aber nur kurz an, denn die Weltwirtschaftskrise versetzte den Ambitionen den nächsten Tiefschlag. Neuerlich gab es Kurzarbeit und Entlassungen. Die Generaldirektion der Tabakregie beabsichtigte, die Produktion von Zigaretten in den Fabriken entlang der Donau zu konzentrieren. Der Zigarrenverschleiß verharrte im Minus. Die Zigarettenproduktion in Fürstenfeld wurde 1939 geschlossen. Im selben Jahr wurde das Österreichische Tabakmonopol in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 10

1940 erlebte die Fabrik mit 56 Millionen Stück Zigarren und 2.300 Tonnen Pfeifentabak die höchsten Produktionsziffern während des Zweiten Weltkrieges. Als 1945 die Kriegsfront heranrückte, beschlagnahmten die Nazis 8,8 Millionen Stück fertiger Zigarren und 125 Tonnen Rauchtabak. Wohin diese Waren gebracht wurden, weiß man nicht. Dann besetzten die Russen die Fabrik. 280.000 Zigarren waren noch vorhanden. Noch am ersten Tag ordnete der Kommandant der roten Armee deren Verpackung und Abtransport an. Nur wenige Tage nach der Besetzung liefen die Produktionsmaschinen wieder an. Hauptsächlich wurden Zigaretten und Tabake produziert, nur wenige Zigarren. Alles musste kostenlos an die rote Armee abgegeben werden. Erst Mitte Juli 1945 durften wieder 300.000 Stück Zigarren an die Zivilbevölkerung abgegeben werden. Ende Juli 1945 wurde die Tabakfabrik Fürstenfeld wieder an die Republik Österreich übergeben. Der Schaden, den die Rote Armee durch den Abtransport unbezahlter Waren, Rohstoffe und Maschinen verursachte, wurde mit rund 71 Millionen Schilling beziffert. Bis November 1946 zogen die britischen Truppen in Fürstenfeld ein, die sich aber aus der Fabrikation heraushielten. Ab dann wurden in Fürstenfeld nur noch Schlußzigarren erzeugt.

 

Die "Fabrik" war bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts der wichtigste Arbeitgeber der Stadt. Durch Wohnungsbau, Beteiligung an Schulbauten und Errichtung eines Kindergartens war sie auch über die Tabakproduktion hinaus ein prägender Faktor für die Stadt. Um 1903 zählte man 2.300 Beschäftigte. Die Wirtschaftskrise in der Zwischenkriegszeit, die Umstellung der Zigarrenproduktion auf maschinelle Fertigung und der Rückgang des Zigarrenkonsums bedingten eine laufende Reduktion des Beschäftigtenstandes. Einige Zahlen zur Verdeutlichung: 1901 erzeugten 2.200 Beschäftigte 65 Millionen Zigarren, 1960 waren für 63 Millionen Zigarren nur mehr 560 Arbeiter erforderlich. 1995 produzieren 83 Beschäftigte 27 Millionen Zigarren.
Von den neun Tabakfabriken, die unter der Flagge der Österreichische Tabakregie segelten, gingen im Laufe des zweiten Weltkrieges drei verloren. Wien-Favoriten wurde durch Bomben vollständig zerstört, Hallein wurde während des Krieges verkauft und aus der Tabakfabrik Klagenfurt wurden die Austria Tabakwerke AG zugunsten anderer Firmen verdrängt.
Die Tabakfabrik Fürstenfeld konnte schon 14 Tage nach Beendigung der Kampfhandlungen die Arbeit wieder aufnehmen. Sie stand zunächst unter Verwaltung der Roten Armee und erzeugte außer Zigarren auch Zigaretten, Zigarettentabake (Feinschnitt) und Pfeifentabake. Nach der Besetzung durch die britischen Truppen nahm die Fabrik wieder die normale Zigarrenerzeugung für die Zivilbevölkerung auf.
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Auch an dieser Stelle lohnt sich wieder ein Blick auf die Zigarrenproduktion in Fürstenfeld. Der Standort wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer reinen Zigarrenfabrik ausgebaut. 1958 erhielt Fürstenfeld die erste Komplettmaschine, die den gesamten Produktionsprozess einer Zigarre übernahm. Damit setzte eine starke Mechanisierungswelle ein, die auch auf die Zigarrenproduktion überschwappte. Die Tochterfirma Altesse wurde an den Standort geholt und als 1976 die Tabakfabrik in Schwaz zugesperrt wurde, wurde die gesamte Zigarrenproduktion nach Fürstenfeld verlegt. Aus Tirol übernahm man in Fürstenfeld die Sorten Princesas, Großglockner, Arlberg, Portorico und Pikkolo. Auch die Produktion der Virginier, bisher Domäne der Fabrik in Stein, wurde sukzessive nach Fürstenfeld verlegt. Die Produktionsstatistik zeigte eine Aufwärtsentwicklung zwischen 1955 und 1959. Dann erfolgte wieder ein Rückgang bis 1965. In diesem Jahr sank die Produktion auf 38 Millionen Stück ab, was einem niedrigeren Ergebnis entsprach als 1955. Grund dafür war u.a. der Vietnam-Krieg, denn aus Südostasien hatte die ATW AG bis dahin den Großteil der Deckblätter für die Zigarrenproduktion bezogen. Aus Mangel an guten Deckblättern griff die ATW zum Trick des Mattierens der Zigarren. Dabei wurde Farbe auf das Deckblatt aufgetragen, um dem Produkt die gewohnte Farbgebung zu verleihen und einen qualitätvollen Eindruck zu erwecken. Weiters wurden die Zigarren damals mit Bandtabak umwickelt, einer Folie aus Tabakresten und Tabakstaub, die einen deutlichen Qualitätsverlust implizierte. Erst in den 1980er Jahren wandte man sich vom Mattieren wieder ab. 12

In der Nachkriegszeit gab es immer wieder mal Gerüchte, die eine Schließung der Fabrik vorhersagten. Eine Variante besagte, dass die ATW AG die Fabrik an das Bundesheer verkaufen wollte, um dort eine Kaserne zu errichten. Eine neue Fabrik sollte daneben errichtet werden. Doch es kam anders. Die Kaserne wurde woanders gebaut, die neue Fabrik in Hainburg und Fürstenfeld wurde zum Epizentrum der Zigarrenproduktion. Diese beiden Schritte sowie die 1975 erfolgte Senkung der Tabaksteuer auf Zigarren von 34 auf 13 Prozent sorgten wieder für wirtschaftlichen Erfolg in der Tabakfabrik, der über die Jahre seit dem Ende des Krieges ausgeblieben war. 13

Allerdings war die Zigarre für die Austria Tabakwerke AG schon länger ein Sorgenkind. Der Prozentanteil der Zigarre am mengenmäßigen Gesamtabsatz der ATW AG lag bei 1,3 Prozent (1984). Das Defizit der beiden Fabriken Fürstenfeld und Stein belief sich auf etwa 10 Millionen Schilling. Der jährliche Konsumrückgang von vier bis fünf Prozent hatte ein stetes Absinken der Produktionszahlen zur Folge. Etwa 85 bis 90 Prozent der Zigarren aus Fürstenfeld wurden im Inland vertrieben. Der Inlandskonsum war also entscheidend für das Wohl der Fabrik.
Die Sorgen lassen sich anhand des stundenmäßigen Arbeitsaufwandes verdeutlichen. So wurden für 1.000 Stück der ausschließlich per Hand gefertigten Olympicos 51,64 Arbeitsstunden veranschlagt. Davon entfielen 6,51 Stunden auf die Zigarrenvorrichtung, 33,51 Stunden für die Fabrikation selbst und 11,62 Stunden für die Verpackung. Dem gegenüber belief sich der Arbeitsaufwand für maschinell gefertigte Zigarren auf ein Fünftel dessen, was für die Olympicos aufgewendet werden musste. 1.000 Stück Zigarillos wie die Senor, die maschinell gefertigt wurde, konnten in 1,50 Stunden produziert werden. 14

Zum Teil scheint der Rückgang in der Produktion bei Zigarren selbst versucht zu sein bzw. von gesellschaftlichen Entwicklungen getrieben. Die Zigarette war auf dem Vormarsch und zur Förderung des Absatzes von Zigaretten wurden Automaten aufgestellt und die Werbung forciert. Für Zigarren gab es kaum Werbung und die sonstigen Verkaufsförderungsmaßnahmen, auf die wir in der Folge noch zu sprechen kommen werden (Stichwort: Promotionteam Zigarre), liefen in den späten 1970er Jahren zaghaft an. Der Verbrauch im Inland ging zurück und aus dem Ausland drohte massive Konkurrenz. 1988 besuchte Zino Davidoff die Austria Tabakwerke AG.
Es war übrigens genau in diesem Jahr, als die Austria Tabakwerke ein einzigartiges Kooperationsabkommen mit Kuba geschlossen hatten. Dieses sah vor, dass Kuba den Tabak nach Österreich liefert und in Fürstenfeld kubanische Zigarillos in Lizenz hergestellt wurden. Dafür musste die Austria Tabak Lizenzgebühren in Schilling bezahlen und durfte im Gegenzug die Zigarillos der Sorte „Siboney" und „Siboney Midi" verarbeiten und exklusiv am österreichischen Markt vertreiben. 15

Bis 1978 konnte die Produktion auf 48 Millionen Stück erhöht werden. 1989 wurden nur mehr 27 Millionen Stück produziert - und zwar einschließlich der Virginier-Zigarre. Der Anteil Fürstenfelds an der Produktion der Zigarre im Monopolbereich lag 1955 bei 73 Prozent, sank bis Mitte der 1960er Jahre auf 63 Prozent ab und erreichte 1970 wieder 80 Prozent. Mit der Übernahme der Schwazer Produktion vereinte Fürstenfeld 100 Prozent der Zigarrenproduktion des heimischen Tabakmonopols. 16

Im Jahr 1955 bestand das Erzeugungsprogramm aus folgenden Sorten: Coronas, Graciosas, Regalia Media, Regalitas, Entreactos, Palmas, Operas, Rositas, Spezi, Havanna und Senor. Letztere Zigarre hielt an der Produktion einen Anteil von 67,7 Prozent.
1989 hatte sich das Sortiment schon deutlich erweitert: Jubilar 200, Imperiales Superiores, Mozart Idomeneo, Falstaff, Imperiales, Selectos Brasil und Sumatra, Coronas, Carmen Brasil und Sumatra, Chic, Kavalier, Siboney, Regalia Media, Graciosas, Havanitos, Großglockner, Spezial Virginier, Palmas, Anatol, Venediger, Arlberg, Tiparillo, Princesas, Capriole in allen Varianten, Caballero, Wachauer, Samba, Slim, Rositas, Portorico, Flip, Mocca, Spezi, Pikkolo und Pikkolo Filter. Die beiden meistproduzierten Zigarren waren die Senor und Pikkolo Filter. 17

Nach über 200 Jahren im Besitz des Staates, wurde 1996 das Privatisierungsgesetz beschlossen, welches u.a. die mehrheitliche Privatisierung der Austria Tabak vorsah - und damit auch der Tabakfabrik Fürstenfeld. Die Konsolidierungsmaßnahmen für die Braut, die sich hübsch machen musste für die Investoren, liefen an. U.a. wurde die Zigarrenproduktion in Fürstenfeld um 14,5 Prozent reduziert (auf 21,8 Millionen Stück). 18
Marktanteilsverluste gegenüber Importzigarren - so hieß es - seien der Grund dafür. Gleichzeitig wurde die Luxuszigarre Wallstreet eingeführt. Und im Juni 1997 gab es ein „Großes Fest für die Zigarre" beim Tag der offenen Tür in Fürstenfeld. Der Vorstand der Austria Tabak versicherte, dass der Fortbestand der Tabakfabrik Fürstenfeld gesichert sei. 19
Nachdem die ÖIAG ihre Anteile zum Verkauf angeboten hatte, legte die britische Gallaher-Group im Juni 2001 ein Angebot, das einem Gesamterlös von 770 Millionen Euro entsprach. Gallaher hielt nun 98,18 Prozent Anteile an der Austria Tabak.
Noch im Jahr 2002 zeigte man sich auch stolz darauf, dass auch Trafikanten Kompetenz beweisen wollen, „die sich regelmäßig in den Fabriken einfinden, um einen Einblick in die Produktion zu erhalten. Fachseminare, Produktinformation und Ratschläge sollen ihnen die Produkte näherbringen." 20
Ende 2005 wurde die Tabakfabrik in Fürstengeld geschlossen. Die Gallaher Group tat genau, was man schon befürchtet hatte: sie verlagerte die Zigarrenproduktion komplett ins billigere Polen bzw. in das hochmechanisierte Werk in Wales. Nur fünf Jahre nach der Übernahme der Austria Tabak, im Dezember 2006, wurde die Gallaher Group um umgerechnet 14,5 Milliarden Euro von Japan Tobacco International (JTI) geschluckt.

 

Anhang
Alois-Alexander Pendl hat in seiner wertvollen Masterarbeit als Abschluß auch noch einige Interviews mit Zeitzeugen geführt. Einige bemerkenswerte Auszüge aus diesen Interviews seien hier angeführt. 21
Interview mit dem Betriebsmeister Adolf Bergmann:
Was hat denn eine Zigarre eigentlich in der Herstellung (gekostet), wenn man die Herstellung rechnet und dann den Verkaufspreis?
Beim Verkaufspreis haben sie einmal müssen rechnen, das sind einmal 28 Prozent Tabaksteuer gekommen. Dann sind noch 14 Prozent vom Trafikant dazu gekommen, dann sind noch die Einstandskosten von Material und Hilfsmaterial. Also eine Zigarre, wenn sie im Verkauf 1,50 Schilling gekostet hat, hat sie uns in der Erzeugung maximal 30 Groschen gekostet. Unser Problem war ja das, die Verkaufsvorgabe ist ja vom Nationalrat ausgegangen. Wenn wir eine neue Sorte entwickelt haben, haben wir eine Kalkulation beilegen müssen, mit allem Drum und Dran. Dann hat erst der Nationalrat beschlossen, ob wir das verlangen durften. Wir haben in der Zeit, wo wir den Preis gehabt haben, den Verkaufspreis, haben wir z.B. als Firma nicht sagen können, wir müssen mehr verlangen, weil das und das teurer geworden ist. Das ist bei uns nicht gegangen. Das hat immer der Nationalrat beschließen müssen.
.....
Die Zigarre in Österreich war eines der am wenigsten behandelten Produkte. Da ist überhaupt kein Kamin dazugekommen. Da ist nichts gespritzt worden oder sonst was, unser Zigarrentabak ist rein mit Dampf und Wasser behandelt worden. Wir haben damals schon ein Bioprodukt gemacht.
...
Die teuerste Zigarre in Fürstenfeld war die „Jubilar", die „200er", die ist damals zu dem Anlass herausgekommen. Das war eine rein handgemachte Zigarre, die hat deshalb „200er" geheißen, sie war 20mm im Durchmesser und 200 mm lang.
.....
Die Kubanischen sind ja eine starke Legendenbildung. Kuba importiert keinen Tabak, sie verkaufen auch keinen. Sie kriegen fast keinen Kuba-Tabak, weil sie alles selber verarbeiten. Wir haben z.B. in der Schweiz einen großen Händler gehabt, „Davidoff", vielleicht sagt Ihnen der Name was. Der lässt die Produkte in ausgewählten Fabriken machen und verkauft sie dann unter seinem Namen. Wir haben zum Beispiel für „Davidoff" in der Schweiz haben wir zwei Zigarrensorten gemacht. Wir haben in Fürstenfeld Lizenzprodukte auch gemacht und für „Davidoff" haben wir gearbeitet. Und „Davidoff" war einer der wenigen, der Kuba-Tabake gekriegt hat. Wir haben von Kuba direkt den Tabak bekommen. Der war aber plombiert und versiegelt. Der Tabak muss ein Schweinegeld gekostet haben. Das hat aber der „Davidoff" bezahlt. Das hat uns „Davidoff" alles geliefert. Wir haben sie nur verarbeitet, hergestellt und mussten auch jedes Monat Proben schicken, Qualitätsproben, so ist das gelaufen. Und für „Rittmeester" in Holland haben wir auch gearbeitet. Für die haben wir drei verschiedene Zigarren gemacht."

 

©Spreitzer


1,2,3,4,6,9,10,11 Ernst, Elisabeth: Tabak in der Steiermark, Graz 1996, Selbstverlag der
Historischen Landeskommission für Steiermark
4 Cigarren im Brennpunkt, eine Cigarrenfibel der Austria Tabakwerke AG, o.A.
5 Plenker, Tabakmonopol, Tabellen zur Statistik des Österreichischen Tabakmonopols 
für die Jahre 1856-1861 und 1867-1913;
Jahresberichte der österreichischen Tabakregie für die Jahre 1923-1938
7 Fachblatt der Tabakarbeiter Nr.7/8 vom Juli/August 1932
8 Die Kaufkraft eines Guldens entsprach damals umgerechnet in etwa 14,- Euro. 
In: Sonderedition Das Magazin www.allestabak.net Zum Besten der Bedürfnisse des Staates,
Hrsg. Helmut Spreitzer, Wien 2018
12,16,17 ATW AG: Generaldirektion, Abt. Produktion: Produktionsstatistiken 1955-1989
13 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Tabakregie, 
Jahrgang 1951, 2.Heft, August 1951
14,15,21 Pendl, Alois-Alexander: Die Fürstenfelder Tabakwerke, ein Leitbetrieb durch drei Jahrhunderte. 
Masterarbeit Karl Franzens Universität Graz, 2011
18 Austria Tabak Information, Heft 1/1997, Hrsg. Wohlfahtsverein des Personals der Austria Tabakwerke AG
19 Austria Tabak Information, Heft 2/1997, Hrsg. Wohlfahtsverein des Personals der Austria Tabakwerke AG
20 Austria Tabak Information, Heft 2/2002, Hrsg. Wohlfahtsverein des Personals der Austria Tabakwerke AG

 

Bildquellen: Museum Pfeilburg, Cigarrenfibel Austria Tabak, Spreitzer

 

 


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