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Zigarre in Österreich

Ein Promotionteam gegen die Absatzflaute (10.05.2019 - 10:52:50}

 

Der Zigarrenmarkt in Östereich

Kapitel 5/10

 

Ein Promotionteam gegen die Absatzflaute - die Österreicher rauchten nur 5,3 Zigarren pro Kopf im Jahr

 

Der „Kampf" der Austria Tabak gegen den Rückgang des Zigarrenkonsums ging weiter. 1983 waren 40,1 Millionen Stück verkauft worden. (1984 gingen die Verkaufszahlen weiter zurück. Gegenüber 1983 um 4,9 Prozent weniger verkauft - in Stück 38,1 Millionen. Um 6,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Aber angesichts des weltweit rückläufigen Zigarrenkonsums immer noch eine gute Quote. Die erfolgten Preiserhöhungen dämpften den wertmäßigen Rückgang ein bisschen. Er betrug nur 2,2 Prozent. Am stärksten betroffen war die Gruppe der Virginier. Allerdings stellte die Austria Tabak die Virginier im Jahr 1984 noch einmal in den Mittelpunkt ihres Neuheitenprogrammes. Und zwar in Form der „Jubiläums-Virginier". Gegenüber der bereits auf dem Markt befindlichen „Spezial Virginier" wurde diese Virginier in Handarbeit gefertigt und aus feinsten Überseetabaken hergestellt. Mit 210 mm Länge und einem Durchmesser von 9mm durchaus eine imposante Erscheinung. In Holzkistchen zu 25 Stück verpackt kostete die Jubiläums Virginier im Gebinde 250,- Schilling. Knapp 18,- Euro. Die Virginier war zum damaligen Zeitpunkt immer noch die meistgerauchte Zigarre in Österreich, wie die Austria Tabak mitteilte.
Erzeugt wurden die Virginier in der Tabakfabrik Stein, die 1919 für die Produktion von 100 Millionen Stück Virginier konzipiert worden war. Die Produktionszahlen gingen allerdings kontinuierlich zurück: von 75 Millionen Stück (1931) auf 67 Millionen (1941) und 21,7 Millionen (1959). Im Jahr 1984 lag die Gesamtproduktion der Virginier bei nur mehr 9 Millionen Stück. Dennoch hielt die Austria Tabak fünf Sorten der Virginier im Sortiment: die klassische Virginier, die Spezial Virginier, die Anatol Sumatra und die Anatol Virginette sowie die eben erwähnte Jubiläums Virginier.
Gleichzeitig feierte 1984 aber auch die Austria Tabak ihr 200-jähriges Firmenjubiläum und brachte aus diesem Anlass auch die „Jubilar 200" auf den Markt. Angepriesen wurde diese Zigarre als Spitzenprodukt aus feinsten Übersee- und Havannatabaken. Die Länge maß symbolhafte 200 mm, der Durchmesser betrug 18 mm. Jede Zigarre war mit einem Ring versehen und in echte Zedernholzfolie eingeschlagen und dazu in eine Alu-Tube eingeschlossen. 20 Stück kosteten damals 1.000,- Schilling.
Die Austria Tabak stellte die Porto Especial ein und auch der Vertrieb der Importzigarren Galop und Separado wurde aufgelassen. Die Separado wurde dabei durch die „Vada Senoritas" ersetzt. Es handelte sich dabei um eine mattierte Zigarre mit leichter Vierkantpressung, wobei das Mundende konisch zulief. Ein Naturdeckblatt umhüllte die Tabakmischung. Jede Zigarre wurde einzeln cellophaniert. Die Galop wurde in er Lizenzproduktion durch die Chic ersetzt. Auch das eine leicht mattierte Zigarre in Keulenfacon. Weiters auf der Importliste die „Havanna Seed Spezial" der Schweizer Firma Wuhrmann und die „Bella Diana" der Schweizer Firma Hediger Söhne AG. (Nur am Rande sei erwähnt, dass 1984 auch die „Gletscherprise" der Firma Pöschl in den Vertrieb aufgenommen worden war, ebenso wie die Lizenzproduktion der Marlboro lights.)

1985 machte die Austria Tabak rund ein Prozent ihres Umsatzes mit Zigarren. Wertmäßig waren das aber immerhin noch rund 142 Millionen Schilling. Daneben sicherte die Zigarrenproduktion in den Fabriken Fürstenfeld und Stein rund 160 Arbeitsplätze. Wäre die Zigarrenproduktion ein selbständiger Betrieb, so formulierte die Austria Tabak damals, so wäre sie ein stattlicher Mittelbetrieb. Zehn Jahre zuvor - mit der deutlichen Senkung der Tabaksteuer auf Zigarren - war der Startschuß für die Renaissance der österreichischen Zigarre gegeben. Ein „Projektteam Zigarre" entwickelte eine Fülle von Ideen, das stagnierende Zigarrengeschäft zu beleben. Ein Mann war besonders dafür verantwortlich - Dr.Friedrich Hinterndorfer. Nach jahrelanger Tätigkeit im damaligen Präsidium der Austria Tabak, erfolgreicher Jahre in der deutschen Privatindustrie und anschließender Rückkehr zu Austria Tabak, wo er es bis zum Werbeleiter brachte, widmete er seine letzten Berufsjahre ganz dem Thema Zigarre.
Seiner Initiative waren u.a. Ideen wie die der Zigarrenspezialgeschäfte, der Geschenkpackungen, der Gastronomiekassetten zu verdanken. Als Hinterndorfer 1984 in den Ruhestand trat, wurde in der Austria Tabak ein neues „Projektteam" für die Zigarre nominiert. Ihm gehörten u.a. an Robert Lachner (Marketing Inland), Christian Mertl (Werbung), Alexander Goetz (Verkauf Inland), Just, Graf (Rohtabak), Hans Fürst (Fürstenfeld), Wursch (Fabrikation), Hans Scheidl (Einkauf), Nahlik (Kalkulation), Rudolf Thürschmid (Verkauf Ausland). Die Gesamtkoordination lag bei Sebastian Zimmel.
Das neue Projektteam ritt gleich volle Attacke. So wurde - auf vielfachen Wunsch von Konsumenten und Händlern - die Zigarrenspezialitätenkassette zusammengestellt - ein Sortiment der Spitzenzigarren aus dem Hause ATW. Der Verkaufserfolg stellte sich unmittelbar ein. Schon nach wenigen Wochen waren 8.000 Kassetten verkauft worden.
Die Zigarrenspezialgeschäfte erhielten ein „neues Gesicht". Ein neues Design wurde kreiert, das sich nun auf Türklebern, Standaschern und Türgriffen wiederfinden sollte. Zigarrenspezialgeschäft konnten allerdings nur jene Trafikanten werden, die ein Zigarrenseminar besucht hatten, einen entsprechenden Fragebogen richtig bearbeitet hatten und überdies das gesamte Inlandssortiment führten. Rund 500 Fachgeschäfte waren es damals, die diesen Titel erhielten.
Das Projektteam stellte das gesamte Sortiment in Frage, durchleuchtete es nach Schwachstellen und Lücken - immer im Fokus dabei: die Verbesserung der Ertragssituation bei den Zigarren. Man dachte an kleinere Verkaufseinheiten und intensivierte die Idee der Geschenkpackungen für Firmen und Vereine. In keiner größeren österreichischen Firma sollte eine Zigarrenkassette fehlen. Ebenso wurde der Verkauf der Gastronomiekassetten (Bild) über die Firma Lichtblau forciert. Begleitende Schulungen für Gastronomen und Hotelfachschüler inklusive.
Trotz aller Maßnahmen und Initiativen war Österreich zum damaligen Zeitpunkt weit davon entfernt, ein „Zigarrenland" zu sein. Der Pro-Kopf-Verbrauch bei Zigarren lag damals bei 5,3 Stück im Jahr! Zum Vergleich: in der BRD lag die Quote bei 29 Stück, in der Schweiz bei 46 Stück, in den Niederlanden bei 51 Stück, in Belgien und Luxemburg bei 85 Stück und in Dänemark sogar bei 103 Stück.
Immerhin als kleinen Erfolg durfte die ATW für sich verbuchen, dass es gelungen war, den mengenmäßigen Marktanteil von (teureren) Spitzenzigarren von 1 Prozent im Jahr 1978 auf 4,1 Prozent im Jahr 1984 zu steigern. Der wertmäßige Anteil wuchs im gleichen Zeitraum von 4,6 auf über 15 Prozent. Innerhalb der Spitzenzigarren führten die Imperiales und die Jubilar 200 das Ranking an, gefolgt von Falstaff, Carmen Sumatra und den Imperiales Superiores. Neben dieser erfreulichen Entwicklung des Spitzensegments der Zigarren, betonte man bei Austria Tabak auch den Erfolg der Capriole. Dieser gelangen sowohl in der Sumatra- als auch in der Brasil-Version enorme Zuwächse von 14,46 bzw. 8,75 Prozent. Im Jahr darauf kletterten die Zuwachsraten auf 34,3 bzw. 25,3 Prozent. Und ein Trend kam langsam aus der Mode: das Mattieren von Zigarren. Der „schöne Glanz" musste der „Natur" weichen.
Interessantes Detail am Rande: Das Marktforschungsinstitut IMAS führte 1986 eine Analyse durch und stellte fest, dass in Österreich 75.000 Menschen Zigarre rauchen würden. Das waren 3 Prozent aller Raucher.
Die Austria Tabak investierte aber nicht nur in das Sortiment oder in Marketing, sie schuf mit dem Glas-Humidor für Gastronomie und Trafiken (Bild) auch die Voraussetzungen für eine fachgerechte Lagerung. Man hat damit dem vielfachen Wunsch der Trafikanten entsprochen, die sich diesen weiteren Schritt in Richtung einer österreichischen Zigarrenkultur gewünscht hatten.
Es war die Zeit, wo Geld für die Austria Tabak keine Rolle spielte, wo man mit aller Macht versuchte, durch Eigenmarken die Qualität und vor allem die Verkaufszahlen internationaler Marken zu erreichen, was letztlich aber nicht funktioniert hatte. Mozart oder Falstaff sind hiefür bezeichnende Beispiele. Für Christian Mertl, der von 1983 bis 2004 in der Werbeabteilung von Austria Tabak werkte und sich dann mit der Firma M-Tabak selbständig gemacht hatte, waren die heimischen Zigarren alle gut gemacht, sie hatten "aber halt nicht das Image der Importmarken."
1987 war dann wiederum ein ganz wichtiges Jahr für die Entwicklung des österreichischen Zigarrenmarktes. Zum einen kündigte man eine Kooperationszigarre zwischen Cubatabaco und Austria Tabak an, zum anderen und wohl auch viel wichtiger, man startete mit der „Goldenen Zigarre". Es war dies eine gemeinsam von Austria Tabak und dem Feinschmeckermagazin „Falstaff" entwickelte Idee einer Auszeichnung von Gastronomiebetrieben für vorbildliche Zigarrenkultur. Die Teilnehmerliste an den ersten Gastronomie-Zigarrenseminaren in Fürstenfeld las sich wie das „Who is who" der heimischen Spitzengastronomie. Themen wie Herstellung, Lagerung, Präsentation, das Sortimentsangebot und der Anschnitt standen auf der Tagesordnung. Auch das Tabakmonopolgesetz lieferte ein wichtiges Argument für die Gastronomie. Zwar durften in der Gastronomie nur Zigarren verkauft werden, die man über Trafiken bezogen hatte, dafür durfte man einen Zuschlag von 10 Prozent verrechnen.
Im übrigen war dies auch das Jahr, wo Nancy Friedenthal in die Trafik einstieg. (So richtig übernommen hat sie diese dann erst 1992, als ihr Vater verstorben war.)

 

Die Gewinner der „Goldenen Zigarre"
1987Steirereck, Wien
1988Panhans, Semmering
1989Le Gourmet, Flughafen Wien
1990Torggel, Röthis (Vorarlberg)
1991K+K, Salzburg
1992Schillerpark, Linz
1993Casino Restaurant Velden, Velden
1994Pichlmaier, Graz
1995DO & CO, Wien
1996SAS Palais Hotel, Wien
1997 Altwienerhof
1998 Steirereck am Pogusch
1999Roter Wolf, Langenlebarn
2000Spitzwirt, Lieboch

 

Man kann es vorwegnehmen: der Verkauf von Zigarren in der Gastronomie lief gut. Christian Mertl hat dafür auch eine eingängige Erklärung: „Mit einer Zigarre gehen leicht drei Cognac mit in den Verkauf."
Die erwähnte Kooperationszigarre mit Cubatabaco wird die „Siboney" sein. Über sie wird noch ausführlicher zu reden sein. Vorerst präsentierte Austria Tabak mit der „Samba" ein feinwürziges Brasil-Zigarillo. 20 Stück um 60,- Schilling in einer eleganten, schwarzen Kappenschachtel. Der Verkaufserfolg war durchschlagend - nach nur einem Monat lag die „Samba" mit 7,6 Prozent Marktanteil unter den Top 4 der österreichischen Zigarren.
Die weltweite Zigarrenwirtschaft war damals in einer Umstrukturierung begriffen. Deshalb fanden die Bemühungen der Austria Tabak, das Zigarren- und Zigarillogeschäft in Österreich zu stabilisieren auch vor recht schwierigem Hintergrund statt. Das Mengengeschäft blieb rückläufig (minus 4,4 Prozent), wertmäßig war die Entwicklung weniger dramatisch. Mit 35,1 Millionen Stück verkaufter Zigarren im Jahr 1986 konnte immerhin ein wertmäßiger Umsatz von 136,1 Millionen Schilling erwirtschaftet werden. Davon entfielen 18 Millionen auf die Tabaksteuer, 10 Millionen auf die Umsatzsteuer und 15 Millionen auf die Handelsspanne der Trafikanten. Die Zigarre lag damit bei 2,73 Prozent des Nettoerlöses von Austria Tabak.

Material für Zigarrenschulungen für Trafikanten

 

International unterstrich der rückläufige Stückverbrauch pro Kopf und Jahr die schwierige Zeit für die Zigarre: in Dänemark lag die entsprechende Quote bei 91 Stück, in Belgien bei 73 Stück, in der Schweiz und den Niederlanden bei 44 Stück, in Frankreich bei 29 Stück, in Großbritannien bei 26 und in der BRD bei 25 Stück. Der Durchschnitt der Europäischen Gemeinschaft lag bei 23,3 Stück, in den USA lag die Quote bei 12,3 Stück und in Österreich unverändert bei 5 Stück. Nur in Italien, Griechenland und Portugal wurde weniger Zigarre geraucht.

 

Es war 1967 als Cubatabaco, die staatliche Organisation für die kubanische Tabakwirtschaft, Zino Davidoff den Vorschlag unterbreitete, eine Havanna-Marke unter seinem Namen in Kuba herzustellen. Ein Jahr darauf kamen dann die Davidoff No1, die Davidoff No2 und die Ambassadrice auf den Markt - die ersten Havanna-Zigarren unter dem Label Davidoff. Mit der Chateau-Serie erreichten die kubanischen Davidoff-Kreationen ihren Höhepunkt. Danach aber ging es mit der Qualität bergab. Die Zigarren wurden härter und härter und man mußte ziehen und ziehen, „so dass der Genuß hin war und der Hals kratzte", wie Davidoff klagte. Immer öfter schickte Davidoff die handgerollten Havannas wieder zurück, bis Cubatabaco eines Tages die Annahme verweigerte. Die Kubaner grollten. Sie drohten, Davidoff künftig nicht mehr mit den Spitzenprodukten der Chateau-Linie zu versorgen (diese kosteten damals schon zwischen 140 und 200 Schilling das Stück).
Als die Zusammenarbeit mit Cubatabaco 1989 mit einem Eklat endete (Kuba lieferte keinen Tabak mehr an Davidoff, der daraufhin 131.000 kubanische Zigarren im Wert von drei Millionen US-Dollar in Basel öffentlich verbrannte), verlegte man die Produktion im März 1990 in die Dominikanische Republik. Zino Davidoff hatte seine eigene Sicht der Dinge: Cubatabaco, so Davidoff, wolle sich wohl das einträgliche Geschäft weltweit allein unter den Nagel reißen. Immerhin wurde der Weltmarkt für Havannas auf damals etwa 1,5 Milliarden Schilling geschätzt. Ein Übernahmeangebot aus Kuba lehnte Davidoff ab. Stattdessen verlegte man die Produktion in die Dominikanische Republik und startete eine bis heute andauernde fruchtbare Zusammenarbeit mit der Tabacos Dominicanos S.A., einer Manufaktur, die noch heute von Hendrik Kelner Casals geleitet wird.

 

Und dann kam die "Siboney". Der Name rührt von den Ureinwohnern Kubas her. Er spielte aber auch in der jüngeren Geschichte Kubas eine Rolle, denn vor dem historischen Sturm auf die Moncada Kaserne in Santiago de Cuba im Jahr 1952 sammelte Fidel Castro seine Mannen auf der Siboney-Farm.
Die Siboney Especiales waren handgefertige original Havanna-Zigarren mit hellem Deckblatt. Geschmackvoll und reich an Aromen war jede Zigarre mit einem geprägten Zigarrenring versehen und mit dem charakteristischen „Zöpfchen" verschlossen. Dieses musste mit einem scharfen Zigarrenschneider abgeschnitten werden. Die Siboney war 152 mm lang und wies einen Durchmesser von 15,08 mm auf. Das Stück wurde in Österreich um 90,- Schilling angeboten. Erhältlich war die Siboney im 10er-Kistchen. Der Import erfolgte direkt aus Kuba. Erkennen konnte man die Original Havanna an der grünen, kubanischen Banderole am Kistchen, am Firmenzeichen von Cubatabaco und dem Hinweis „hecho a mano" (= handgefertigt).
Sebastian Zimmel, Koordinator des Promotionteams Zigarre, erinnert sich: „Es war klar, dass die Austria Tabak das Longfiller-Segment der Importmarken stärken wollte. Die Siboney Especiales war quasi dieselbe Zigarre wie die Davidoff No.2 und stammte zu 100 Prozent aus Kuba."
Die Austria Tabak befand sich damals - anfangs der 1990er Jahre - laut Zimmel kurz vor Abschluß eines Joint Venture mit Cubatabaco. Das sei letztlich aber doch nicht zustande gekommen - trotz der sehr langen Tradition der Tabak-Geschäftsbeziehungen mit Kuba. Die Bestellungen waren im übrigen gar nicht so einfach, bemerkt Zimmel, denn sie liefen via Telex über Moskau. So kamen von der Erstbestellung der Montecristo No.3 nur 20.000 Stück, obwohl man deutlich mehr bestellt hatte, wie Zimmel wußte. Später dann steigerte sich die Bestellung auf eine halbe Million Stück.
1989 wurde dann die Capriole light aus der Taufe gehoben, der erste österreichische Light-Zigarillo. Die Idee stammte von Sebastian Zimmel, der quasi das Prinzip der fast zeitgleich erscheinenden Memphis light auch auf die Braunware übertragen wollte. Die Capriole light war die erfolgreichste Zigarillomarke von Austria Tabak. Der gemeinsame Marktanteil der Brasil- und der Sumatra-Variante belief sich auf 6,5 Prozent, was einem Stückverkauf von zwei Millionen entsprach. Austria Tabak wollte damit den damals aufkommenden Trend nach leichtem und doch aromatischem Rauchgenuß in die Welt der Braunware verlängern. Und man hatte wohl auch die Frauen als Konsumentinnen im Auge.
Das alles trug sich vor dem Hintergrund einer weltweiten Phase der Umstrukturierung in der Zigarrenwirtschaft zu. Allein in West-Europa nahmen von 1975 bis 1987 die Zigarrenverkäufe um mehr als 3 Milliarden Stück ab. Die Zahl der Hersteller war stark zurückgegangen. Auch in Österreich blieb das Mengengeschäft trotz der intensiven Maßnahmen des Projektteams Zigarre weiterhin rückläufig. Das Minus belief sich auf 2,85 Prozent, anfangs 1989 lag es bei 3 Prozent. Allerdings war selbst dieses Minus vergleichsweise passabel, denn klassische Zigarrenländer wie BRD (-8,6 Prozent), Holland (-11 Prozent) oder die Schweiz (-7 Prozent) mussten deutlichere Einbußen hinnehmen. So entsprach etwa alleine das Minus in der BRD der vierfachen Jahresproduktion in Österreich. Verkauft wurden 1988 33,3 Millionen Stück, die einen Umsatz von 137,7 Millionen Schilling bedeuteten. Das entsprach einer wertmäßigen Umsatzsteigerung von 1,5 Prozent - ohne Preiserhöhungen!
Damit sorgte die Zigarre alleine für 18,3 Millionen Schilling Tabak- und 23 Millionen Umsatzsteuer. Die Trafikanten durften sich über insgesamt 18 Millionen Schilling Handelsspanne freuen und die Austria Tabak lukrierte immerhin 2,7 Prozent ihrer Nettoerlöse über die Zigarre.
1990 beehrte Zino Davidoff Wien zum wiederholten Mal mit seinem Besuch. Diesmal wegen einer Zigarren- und Cognac-Verkostung der Austria Tabak im „Steirereck". Dabei wird eine bemerkenswerte Anekdote berichtet. Dr.Ernst Schneider, Eigentümer von Oettinger-Imex, der für die weltweite Vermarktung der Davidoff Zigarren zuständig war, und Direktor Georges Schelker hatten beide befürchtet, am Flughafen Wien Schwierigkeiten zu bekommen, weil Davidoff seinen Pass in der Schweiz vergessen hatte. Aber der Zöllner meinte nur: „Herr Davidoff braucht nur eine Zigarrenbinde vorzuweisen."

v.l.n.r.: Georges Schelker, Zino Davidoff, Sebastian Zimmel, Ernst Schneider©Felix Wessely

 

Es war dies übrigens auch die Zeit der Querelen mit Cubatabaco (siehe weiter oben). Zino Davidoffs Credo zum Umgang mit Zigarren dürfte allgemein bekannt sein. „Plaisir hat nur der, der wenig raucht. Für eine Zigarre muss man sich mindestens eine Stunde Ruhe verschaffen, eine Stunde, in der man Musik hört, Tschaikowsky zum Beispiel, oder ein gutes Gespräch führt. Sonst schmeckt eine Zigarre nicht so, wie sie schmecken kann. Denn eine Zigarre ist wie eine schöne Frau", versicherte Davidoff. „Wenn man nicht zärtlich ist, dann erlischt das Feuer."
Austria Tabak setzte aber nicht nur im Sortiment und Marketing Akzente, sondern nahm sich auch den Vertriebskanal Trafik zur Brust. Es gab damals etwa 600 Zigarren-Spezialgeschäfte, die nur unter bestimmten Voraussetzungen den goldenen Kleber erhielten, der sie als Zigarren-Spezialgeschäft auswies. Dazu gehörte: zumindest muss das gesamte Sortiment der Eigenmarken geführt werden, der Trafikant/ die Trafikantin muss ein Zigarrenseminar besucht und eine Exkursion die Fabrik in Fürstenfeld absolviert haben sowie muss die Trafik mit einem Humidor ausgestattet sein. Verbunden war der Reality-Check des Außendienstes mit einem Gewinnspiel. Als Hauptpreis winkte ein Reise für zwei Personen nach Kuba.
Im Oktober 1990 hatte das Londoner Fachmagazin „Word Tobacco" erstmals Österreich als Schauplatz der alle vier Jahre stattfindenden Welttabak-Ausstellung gewählt. Dabei kam es auch zu einem „Zigarren-Roundtable", einem Treffen einer illustren Schar internationaler Zigarrenfachleute. Diskussion und Erfahrungsaustausch standen im Vordergrund, es gab aber auch Impulsreferate. So gab Luc vanderElst, Sproß einer bekannten belgischen Tabakhändlerfamilie, einen Überblick über das weltweite Rohtabakangebot für Zigarrentabaken; Manuel Bolinaga von Cubatabaco, schilderte die aktuelle Situation aus Sicht der kubanischen Produzenten; mit den Vertretern der Delegation aus Indonesien wurde die Frage der Java- und Sumatra-Einschreibungen auf der Bremer Tabakbörse erörtert (dort kaufte auch die Austria Tabak ein); zu neuen Trends in der Zigarrenproduktion äußerten sich Ad Wintermans von Agio Cigars und Henk van der Sluis von der Sluis Zigarrenmaschinenfabrik. Es entwickelte sich nämlich damals der Trend zum rationalisierten Produzieren, Shortfillern, die ähnlich wie die Zigarettenindustrie produziert werden. Auf der anderen Seite verblieben die traditionellen Hersteller handgefertigter Longfiller. Im Vormarsch, so hieß es damals, befänden sich neue Techniken wie die „Bobinentechnik" und die „Einblattzigarre".

 

©Spreitzer

 

1 Austria Tabak Information 2/1984
2 Austria Tabak Information 1/1985
3 Austria Tabak Information 2/1985
4 Austria Tabak Information 3/1985
5 Austria Tabak Information 1/1987
6 Austria Tabak Information 3/1987
7 Der Spiegel, Heft 33/1989
8 Austria Tabak Information 4/1988
9 Austria Tabak Information 2/1989
10 Austria Tabak Information 4/1990

Bildquellen: Austria Tabak Information, Felix Wessely, Sebastian Zimmel, Spreitzer

 


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