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Zigarre in Österreich

Exkurs - Der Tabakhandel in Fesseln (08.11.2019 - 15:05:44}

 

Der Zigarrenmarkt in Österreich

Kapitel 8a/10

Exkurs - Der Tabakhandel in Fesseln

2000/2001

 

Der Anlass war lapidar. Ein Mitarbeiter des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, der damals in Wien weilte, wollte Cigarren für den Chef kaufen: eine Kiste Cohiba Especiales. Kostenpunkt damals rund 5.800 Schilling. Der präsidiale Mitarbeiter wollte mit Kreditkarte zahlen. Der Trafikant durfte nicht annehmen. Das Geschäft kam nicht zustande. Der Grund lag in einer Interpretation der Monopolverwaltung. Gemäß §36 Abs.12 dürfen Trafikanten nämlich keine direkten oder indirekten Vorteile wie Rabatte, Skonti, Zahlungsziele oder dergleichen gewähren. Zitiert wurde damals Ernst Koreska, der erklärte, dass „Kreditkarten dem Wettbewerbsverbot unter Trafikanten widersprechen." Es wäre nämlich ein Vorteil, wenn ein Trafikant einem Kunden durch Zahlung mittels Kreditkarte erlauben würde, die Ware erst vier bis sechs Wochen danach zu bezahlen. Dass die Preise in den damals 8.563 (!!) Verkaufsstellen überall gleich sind, genügte nicht. Von „Wettbewerbsverzerrung" schwurbelte Koreska damals.
Der damalige Sektionsleiter im Finanzministerium Franz Spieß sah keinen Handlungsbedarf, denn „ so eindeutig wie die Monopolverwaltung tut, steht das nicht im Gesetz." Demnach wäre die Zahlung mit Kreditkarte möglich, aber die Auslegung des Tabakmonopolgesetzes oblag eben der Monopolverwaltung.
Reinhold Widmayer widmete sich aus diesem Anlass einer Cigarrenserie unter dem Titel „Tabakhandel in Fesseln". Nicht ganz zum Wohlwollen des damaligen Bundesgremialobmannes Peter Trinkl, aber er hat wohl den Nerv getroffen, wie Erinnerungen von Trafikanten unterstreichen.
Die damalige Interpretation der Monopolverwaltung zum Thema Kreditkartenzahlungen deklarierten die Kreditkartenunternehmen wie Amex oder Europay als „verzopft." Insbesondere die Verbindung von Zahlungsziel und Kreditkarte erregte das Missfallen. Die Monopolverwaltung aber insistierte in Person von Ernst Koreska, der weiter argumentierte, dass die Akzeptanz von Kreditkarten ein wirtschaftlicher „Schuss ins Knie" sein könnte für die Trafikanten. Dann nämlich, wenn die Transaktionsgebühren die Gewinnspanne übersteigen würde. Zur gleichen Zeit rang Klaus W. Fischer, Präsident des VCPÖ, schon seit zwei Jahren um eine Lockerung der Werbeverbote für Trafikanten. Wie wir heute wissen vergeblich.
Dies ging so weit, dass der Versuch, einen kleinen Gästeführer über die auf Rauchgenuss spezialisierten Tabakfachhändler im damaligen „How to spend it-Verlag zu erstellen, fehlschlug, weil unter dem Hinweis auf das Werbeverbot kein Trafikant zur Auskunft bereit war.

Die Stimmung und das Verhältnis zur MVG beschrieb die Trafikantin Nancy Friedenthal (Bild li.) in ihren Erinnerungen folgendermaßen: „Wir Trafikanten hatten um die Jahrtausendwende große Probleme mit der Monopolverwaltung. Wir wurden etwa auch dann verwarnt, wenn ein Journalist (auch wenn er unerkannt geblieben war) im nachhinein einen Artikel geschrieben hat. Wir mussten dann immer beweisen, dass wir damit nichts zu tun hatten, denn das war unerlaubte Werbung. Man musste dem Journalisten sagen: um Gottes willen, schreiben‘s meinen Namen nicht! Wir hatten damals ziemlich darunter gelitten, wenn etwas in den Publikumsmedien geschrieben wurde. Heute ist man froh, wenn man als Branche überhaupt vorkommt." Und Friedenthal artikuliert massive Vorwürfe: „Die MVG hat wie im Sinne eines Spitzelwesens agiert. Anonyme Vernaderungen unter Kollegen waren durchaus üblich. Vorladungen zur MVG wurden ohne Betreff zugestellt. Man musste immer erst einen Rechtsanwalt nachfragen lassen, worum es geht, um nicht unvorbereitet hinzugehen. Bis inklusive dem Geschäftsführer Fritz Simhandl (unten li.) war die MVG eine diktatorische Institution, mit der man nicht reden wollte. Eine Änderung brachte erst Tina Reisenbichler (unten re.)."

Es war damals unmöglich, aus den Tausenden Trafiken jene herauszufiltern, die als Cigarren- und Pfeifenspezialisten galten. Josef Podlesnig, damaliger Geschäftsführer der Monopolverwaltung, achtete mit seinem Team strikt auf Anonymität der Vertragspartner, der Trafikanten. Was Widmayer in seiner Serie aber überhaupt nicht verstand, war, dass die Interessensvertretung in ihren freiwilligen Standesregeln noch haarsträubendere Beschränkungen festhielt: Aussendungen über neue Produkte waren nur für Raucherbedarfsartikel möglich, eine Kopie der Adressatenliste musste an die MVG gehen; in Medien, wo man auch inserieren konnte, war die namentliche Aufzählung von Trafiken untersagt etc.
Das führte zu mitunter kuriosen Situationen: so stempelte eine Trafikantin Zeitungen, die Kunden bei ihr kauften ab, damit die Kunden nicht im benachbarten Supermarkt in Beweisnotstand gerieten, woher denn die Zeitung stamme. Die MVG interpretierte dies als unerlaubte Werbung, womit die Trafikantin ihre Existenz auf Spiel setzte. Deshalb bot die MVG neutrale Stempel an, die von nun an zu verwenden waren. Am Stempel zu sehen: das Trafiknet-Logo, eines Joint.-Venture von Austria Tabak und der Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten. Dafür also durfte sehr wohl geworben werden - übrigens wurden auf der Homepage der MVG auch die Trafiknet-Trafikanten entsprechend gekennzeichnet. Den Cigarren- und Pfeifenspezialisten des VCPÖ wurde dies versagt. Dafür gewährte die MVG dem VCPÖ die Erlaubnis einer eigenen Website. Vorsichtshalber aber noch ohne verbandsinternes Mitgliederverzeichnis. Die Wohlfahrtseinrichtung hingegen konnte auf www.wettoe.at sogar einen 24-Stunden-Webshop (!!) betreiben. Ab einem Einkauf von 1.000 Schilling gab es sogar eine „Lieferung frei Haus."

Zurück zum Anfang: die Kreditkarten-Akzeptanz. Noch kurz vor Weihnachten desselben Jahres stellte der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser die MVG vor die Wahl: entweder sie akzeptieren freiwillig Kreditkarten oder es gibt eben eine Gesetzesnovelle. Das WirtschaftsBlatt schloss sich der Kritik an und Widmayer attackierte nun das Monopol: „Die Aufhebung der vier einschneidendsten Verbote, nämlich von Werbung, Warenzustellung, Zugaben und Zahlungszielen könnte den Einzelhandel aus seinen Fesseln befreien und würde es endlich erlauben, unternehmerisch tätig zu sein.
Politiker wie Alfred Gusenbauer oder Peter Kostelka, Andreas Khol oder Johanna Mikl-Leitner griffen den Faden auf - man müsse sich anschauen, inwieweit Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes noch zeitgemäß wären, hieß es. Gottseidank (in diesem Fall) reden Politiker viel und tun wenig. Denn das Monopol gibt es noch. Ebenso wie den darin enthaltenen Gebietsschutz als „heilige Kuh". Allerdings sind auch tatsächlich Trafikanten über die Verbotsbestimmungen gestolpert und haben - etwa nach Zugabe eines Bic-Feuerzeuges an einen Testkäufer der Monopolverwaltung ihre Lizenz verloren. In einem anderen Fall spricht die Betroffene davon, dass „über Wochen so ein kleiner Giftzwerg" in die Trafik gekommen wäre, um tausende Schilling eingekauft hätte und dafür Prozente forderte. Einmal habe man ihm 2 Packerl Marlboro ins Sackerl gesteckt. Innerhalb einer Woche kam die Kündigung. Der „Giftzwerg" war nämlich Ernst Koreska von der MVG (Bild re.).

 

Quelle: Der Tabakhandel in Fesseln, Reinhold Widmayer, ECCJ 2000/2001 sowie Erinnerungen von Nancy Friedenthal 
(aufgezeichnet von Helmut Spreitzer)
©allestabak, Michalski

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