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Zigarre in Österreich

Anmerkungen zum Wiederaufbau des Tabakverschleißwesens in Österreich 1945-1955 (09.02.2019 - 14:10:36}

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Anmerkungen zum Wiederaufbau des Tabakverschleißwesens in Österreich 1945-1955

Hofrat Direktor Alfred Dedovich war in der Generaldirektion der Austria Tabakwerke AG Leiter der Gruppe III (Verschleißwesen). Ihm oblagen die Reformen und Neuerungen im Tabakverschleißwesen nach dem Krieg. Die Herausforderungen nach dem Krieg waren groß. Es galt den schwer in Mitleidenschaft gezogenen Verschleißapparat quasi neu aufzubauen, Vorsorge dafür zu treffen, dass die Tabakverschleißer wieder zu Betriebskapital gelangten bzw. nicht etwa durch Währungsmaßnahmen ihre Betriebssubstanz wieder verlieren und schließlich auch ausreichend Hilfe und Rettung erfuhren. Zielsetzung war, aus den Inhabern selbständig geführter Tabakverschleißgeschäfte einen wirtschaftlich gekräftigten und daher leistungsfähigen Handelsstand zu formen. Das gelang zwar nicht ganz, trotzdem waren - als Leopold Figl den Staatsvertrag präsentierte - die Auswirkungen des Krieges weitgehend überwunden und die wirtschaftliche Lage der Tabakverschleißer spürbar besser geworden.
Zum einen wurden die Vorschriften für die Verleger geändert. Ihre Rechtsstellung wurde geändert. Sie waren nun keine eigenständigen Händler mehr. Ein gleitendes Provisionsschema wurde eingeführt und die Versicherung der Verlagsvorräte wurde von der Regie übernommen, da diese als Kommissionsware bis zum Verkauf an die Trafikanten im Eigentum der Tabakregie verblieben. Diese Veränderungen sind auch vor dem Hintergrund jener Entwicklung zu sehen, die schon Ende der 1890er Jahre in Gang geriet und letztlich die Verwaltung des Tabakmonopols in die Hände der Austria Tabakwerke AG legte, bis diese Praxis nach dem EU-Beitritt Österreichs 1995 wieder dahingehend geändert wurde, dass die Verwaltung des Tabakmonopols zurück in die Hände des Finanzministeriums fiel und letztlich in eine Tochtergesellschaft ausgelagert worden ist.
Den Verlegern wurden überdies neue Buchführungsvorschriften und eine Rückstellungsordnung vorgesetzt.
Die bis dahin existierenden Vorschriften - zum einen die Trafikbesetzungsvorschrift TBV, zum anderen die Bestimmungen in der Verleger-, Trafikanten- und Spezialitätenverschleißervorschrift wurden zusammengelegt.

Nach der Trafikbesetzungsnovelle 1927 war für die Auswahl unter mehreren bevorzugten Bewerbern der Grad der Bedürftigkeit ausschlaggebend, sowie wurde Bedacht genommen auf die Anzahl der Familienmitglieder, die es zu versorgen galt. Kaufmännische Gesichtspunkte sowie der Nachweis von Kapital waren im Hintergrund. Um der Besetzung durch nicht geeignete Personen gegenzusteuern, kam man auf die Idee einer Eignungsprüfung. Quasi die Geburtsstunde einer Art Trafikakademie.
Den Nachweis eigenen Betriebskapitals konnte man klarerweise noch nicht einfordern. Die Schaffung eines solchen konnte damals nur durch die Lenkung des Kreditwesens gefördert werden. Dazu zählte u.a. der schrittweise Abbau von Austria-Fassungskrediten sowie die Einschränkung der Inanspruchnahme von Aufbauzuschlagsstundungen etc.
Die stellvertretende Führung von Trafiken für kriegsbeschädigte Personen durch Gewerbetreibende (die Lizenzinhaber waren dabei eigentlich nur Rentenempfänger) wurde unterbunden. Darüber hinaus war eine wesentliche Zielsetzung, den Berufsstand des Tabakverschleißers zu verjüngen. Die Altersunterstützungsaktionen der Austria Tabakwerke AG zwischen 1946 und 1949 waren dafür ein erster Schritt. Die Wohlfahrtseinrichtung der Tabakverschleißer hat diese Aktion fortgesetzt.
In sachlicher Hinsicht wurde durch die Festlegung von Umsatzgrenzen, unter welchen Tabaktrafiken nur in Verbindung mit einem Gewerbe zu führen sind, und erst darüber selbständig geführt werden dürfen, wurde erstmals eine Regelung getroffen, durch die die Nachbesetzung von Elendstrafiken verhindert wird. Die Monopolverwaltung war bestrebt, die für die westlichen Bundesländer festgelegten umsatzgrenzen zwischen 70.000 und 80.000 Schilling (Kleinverkaufspreis) auch auf die östlichen Bundesländer auszudehnen bzw. sie generell auf 90.000 bis 100.000 Schilling hinaufzusetzen. Im städtischen Bereich wurden diese Elendstrafiken dann geschlossen, im ländlichen Raum durch verbundene Trafiken ersetzt.

Die Direktbelieferung von Trafiken unter Ausschaltung des Tabakwarengroßhandels) scheiterte damals an der Rentabilität. Denn die meisten Tabaktrafiken Wiens fassten mehrmals wöchentlich. Auch aus Mangel an Betriebskapital, weil die Verkaufserlöse immer wieder direkt in die Fassung flossen. Solange also die Trafikanten, insbesondere in Wien, nicht über das nötige Betriebskapital verfügen, wird eine Direktbelieferung nicht möglich sein.

Die Tabakmonopolverwaltung war - zur Aufbesserung der Versorgungsstruktur - damals bestrebt, an Stellen, wo sich die Menschen immer wieder ansammeln, wie etwa an frequentierten Straßenbahnhaltestellen, an Endstationen, Verkaufsmöglichkeiten für den Verkauf von Tabakwaren zu schaffen. Genannt wurden etwa die Schottenbastei, Bellaria, die Opernkreuzung oder der Schwarzenbergplatz. Weil aber damals schon politische Proporzbesetzungen dieser Kioske gefordert worden waren, kam es nicht dazu. Auch die heimliche Erwartung der Monopolverwaltung, die Gemeinde Wien, würde das im Jahr 1939 erlassene Rauchverbot in den städtischen Verkehrsmitteln wieder aufheben, hatte sich nicht erfüllt.

In Sachen Zigarettenautomaten herrschte seit 1928 die freie Wahl für Trafikanten. Nun war geplant, die Wahl der Automatentype nur insoweit freizugeben, als dass nur jene Typen von Automaten aufgestellt werden konnten, die bisher von der Tabakregie beigestellt worden waren bzw. hinsichtlich ihrer Funktionsweise überprüft worden sind.
Die Tabakregie beschloss auch, neue Verkaufswagen für den erfolgreichen Bahnhofsverkauf einzuführen. Die neuen Wagen sollten leichter und weniger hoch sein und dadurch erlauben, dass die Verkäufer rascher entlang der Züge vorankämen.

Für Verleger und Spezialverschleisser sollte eine Eignungsprüfung eingeführt werden. Spezialitäten durften nur jene verschleissen, die auch Fremdsprachen beherrschten. Generell wurde dabei auf die persönliche Geschäftstüchtigkeit der Bewerber Bedacht genommen. Nach der Trafikantenvorschrift aus dem Jahre 1911 unterscheidet man zwischen selbständigen und nicht-selbständigen Trafiken. Die Adaptierung dieser Begriffe führte dazu, dass man eine selbständige Trafik mit einer Liste von Merkmalen ausstattete, die sie aufweisen musste, um als solche anerkannt zu werden: alle anderen, die diese Merkmale nicht hatten, galten als nicht-selbständige Trafiken. Hier dürften die Wurzeln zur Definition eines Tabakfachgeschäftes liegen.
Landtrafiken wurden als schutzbedürftig definiert und von „Elendstrafiken" abgegrenzt. Sonderregelungen gab es auch für Schutzhüttentrafiken und an den Grenzen wurden in den Abfertigungskiosken des ÖAMTC Grenztrafiken eingerichtet. Geregelt wurde außerdem der 10prozentige Bedienungszsuchlag in öffentlichen Trafiken in Verbindung mit dem Gastgewerbe.
Weitere Reformen der Tabakverschleißgeschäfte betrafen die Regelung der Neubesetzung bzw. Verlegung im Rahmen einer Kommission und die einheitliche Ausgestaltung von Tabaktrafiken. Die Österreichische Tabakregie gab sogar ein „Merkblatt zur Durchführung der Renovierungsarbeiten bei Tabakverschleißgeschäften" heraus. Der später so genannte „Rauchring" wurde als Steckschild allgemeines Erkennungszeichen. Spezialverschleißgeschäfte wurden als solche speziell gekennzeichnet, einheitliche Arbeitskleidung wurde eingefordert und die Tabakregie selbst stellte in eigenem Namen Lokale für den Verschleiß sicher.

Ganz entscheidend waren Änderungen auf dem Gebiet des Kredit- und Wohlfahrtswesens. Die Aufgaben wurden zwischen Austria Tabakwerke AG und der Wohlfahrtseinrichtung der Tabakverschleißer Österreichs aufgeteilt. So übernahm etwa die ATW die Geldmittel für die Darlehen bezüglich der Tabakwarenfassung. Was Stempel- und Postwertzeichen und Nebenartikel betrifft, oblag dies der Wohlfahrtseinrichtung der Trafikanten.
Ab 1948 wurden die vereinseigenen Mittel der Wohlfahrtseinrichtung dadurch gestärkt, dass die Austria Tabakwerke AG „Dotationen" zuwies. Dabei handelte es sich um jene Handelsspannen, die bei Abgabe von Tabakwaren durch die Tabakregie an Direktbezieher eingespart werden. Die Wohlfahrtseinrichtung übernahm in der Folge die Renovierungskreditaktion und die Altersunterstützungsaktion von den Austria Tabakwerken. 1951 wurden seitens der ATW für die Wohlfahrtseinrichtung 3 Millionen Schilling zur Stärkung der Liquidität bereitgestellt. Im Jahr darauf übernahm die Wohlfahrtseinrichtung auch die Wohlfahrtsaktion der ATW.
In diesem Zusammenhang war der Fonds „Rücklagen für notleidende Trafikanten" wichtig. Der wurde zwar von der Wohlfahrtseinrichtung verwaltet, zur Verfügung standen die Mittel aber der Tabakregie. Die Wohlfahrtseinrichtung führte auch eine Lotterie für Tabakverschleißer durch. Deren Reinertrag wurde den Sozialmitteln des Vereins zugeführt. In den Jahren 1952 bis 1955 betrugen die Reinerlöse zwischen 305.000 und 438.000 Schilling. Im Herbst 1949 wurde das Strandhotel Pichl-Auhof am Mondsee erworben.

© Helmut Spreitzer

 

1 Dedovich, Alfred: Das Tabakverschleißwesen in Österreich 1945-1955, Sonderausgabe der Fachlichen Mitteilungen 
der österreichischen Tabakregie, Wien 1955

Bilder: JTI Collection, Sammlung Risch-Lau, Vorarlberger Landesbibliothek

 

 


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