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Zigarre in Österreich

Zigarrenland Österreich - Viele neue Großhändler mischen den Markt auf (04.11.2019 - 08:53:34}

Der Zigarrenmarkt in Österreich

Kapitel 8/10

Zigarrenland Österreich - Viele neue Großhändler mischen den Markt auf
1999

 

Reinhold Widmayer, Cigar Aficionado der ersten Stunde und heute Herausgeber des Cigar Journal, schrieb damals für das Wirtschaftsblatt. Er berichtete davon, dass Anfang März 1999 House of Smoke, Alfred Ackerl, KP Plattner und Sebastian ZImmel mit Zigarren-Importen starteten. Zimmel agierte als Repräsentant der schweizerischen Redimex AG, die über exklusive Vertriebsrechte für kubanische Zigarren für Österreich, Ungarn, Slowenien und Tschechien verfügte. Wenig später gesellte sich auch Dios Tabacos dazu. Marlies Held erinnert sich: „Unser erster Kontakt zu einem Cigarrenproduzenten datiert vom 21. Mai 1998, es war dies ein Schreiben an Cuesta-Rey. Darauf folgte ein Besuch bei J.C. Newman in Tampa sowie Puros Indios in Miami, gefolgt von einer Tour in die Dominikanische Republik, um die Produktion von Fuente, der Cuesta-Rey produziert, sowie von Corporacion Cigar Export, Augusto Reyes (Produzent von Saga, Patoro etc.) anzusehen. Die Eindrücke waren auf beiden Seiten sehr positiv und wir konnten uns die Zusage, Importeur für diese Marken zu werden, sichern. Am 9.3.1999 suchten wir um ein Tabakwarenlager an, die Bewiligung wurde am 2.4.1999 erteilt. Kurz darauf schrieben wir unsere erste Bestellung für Cuesta-Rey."
Dass aller Anfang schwer ist, das musste Dios Tabacos gleich erfahren, wie Held berichtet: „Leider war es so, dass sich nach dem Wegfall des Monopols noch kein Zollbeamter traute, die Importpapiere abzustempeln - unsere erste Lieferung lag ca. 14 Tage in Deutschland (es war erforderlich, erst in ein anderes EU-Land zu importieren) bis ein Beamter grünes Licht für die Einfuhr gab."
Dios Tabaccos fuhr von Anfang an ein Qualitätsprinzip: am damaligen Firmensitz in Götzis/Vorarlberg wurde ein Lagerhumidor errichtet, der vollständig mit Zedernholz ausgeschlagen war. Die Ware wurde dort bei 65 Prozent Leuchtfeuchtigkeit mindestens 6 Tage gelagert, ehe sie zur Auslieferung kommt. Dios Tabaccos waren auch eine der ersten, die Trafikanten zu Zigarrenseminaren einluden, um sie über die Cigarren und deren richtige Lagerung zu informieren. (Nur Redimex, die Repräsentanten der kubanischen Cigarren, waren als Seminarveranstalter schon früher unterwegs.)
Für die Markteinführung holten sich Wolfgang und Marlies Held den erfahrenen, ehemaligen Vertriebsleiter der Österreichischen Lotterien, Bruno Kasparek, an Bord. Zu Beginn gab es Exklusivverträge mit J.C.Newman, Don Lino und Puros Indios.
Eine der ersten Cigarren, die Dios Tabaccos in Wien präsentierte, war die Diamond Crown von J.C.Newman, die wahrscheinlich exklusivste Zigarre in Österreich - am 15.Juni 1999 im Schloß Wilhelminenberg (Bild oben). 
Mit dabei damals auch Reinhold Widmayer, Redakteur beim European Cigar Cult Journal ECCJ. Er kannte die paradiesischen Zustände für Cigarren-Genießer in den USA, wo es jede Menge Marken zur Auswahl gab. Widmayer erinnert sich: „In Ermangelung eines internationalen Cigarrenangebotes, sah ich mich gezwungen im Ausland einzukaufen. In Ungarn fand man kubanische Cigarren bzw. haben Botschaften immer wieder Cigarren zur Verfügung gestellt." Da es immer schon eine recht enge Beziehung zwischen Cubatabaco und Austria Tabak gegeben hatte, schätzt Widmayer, dass damals etwa 50 Prozent der Cigarreraucher kubanische Cigarren rauchten, die andere Hälfte andere Marken. Ein Beispiel für diese enge Beziehung war die exklusive Produktion der Siboney für den österreichischen Markt. (Dass die ATW diesen Vertrag dann einseitig aufkündigten, war für Widmayer ein großer Fehler.)
Das Angebot der sehr rasch auf dem Markt agierenden privaten Großhändler sorgte dafür, dass die Nachfrage angekurbelt wurde. Auch die Cigarren-Magazine, die - so Widmayer - „damals weggingen wie die warmen Semmeln", sorgten für eine Vermehrung des Wissens unter Händlern und Konsumenten.

Die Lage war im Großen und Ganzen also günstig für Zigarren. Seit 1994 stieg der Konsum kontinuierlich an. Allein von 1997 auf 1998 hatte die Austria Tabak ihren Zigarrenabsatz um 18 Prozent auf 40 Millionen Stück gesteigert.
Ein anderer, der die Zeichen der Zeit rasch erkannt hatte, war Rainer Gunz. 1999 hieß die größte Tabakmesse noch Ambiente und fand in Frankfurt statt. Gunz installierte seinen Großhandel in einem Büro im Elternhaus. Die hatten einen Malerbetrieb. Eine zweite Telefonleitung für den Großhandel wurde gelegt. Und trotzdem kamen immer wieder Bestellungen über die Telefonleitung des Malereibetriebes. Gunz erinnert sich, dass er der erste war, der Zigarren auf der Ambiente in offenen Kisten präsentierte. Das war damals absolut nicht üblich. Aber Ackerl, Lichtblau und Co. zogen rasch nach. Gunz schwärmt von damals, als man große Mengen in den Markt verkaufen konnte. Der Bedarf war groß. Helmut Mohilla etwa, dessen Tochter Maria mittlerweile das Tabakfachgeschäft am Kohlmarkt führt, bestellte von allem alles doppelt, erzählt Gunz. Heute hingegen bringt man Neuigkeiten nur mehr durch Verdrängung in den Markt.
Bei KP Plattner verließ man sich auf das Gespür von Kohlhase & Kopp. Der deutsche Importeur, der größte, der nicht-kubanische Zigarren nach Europa brachte, beriet die nach eigenen Angaben in Sachen Cigarren recht ahnungslosen Tiroler und so kamen die ersten Verträge für den Import der Santa Damiana, Don Diego und Macanudo für Österreich zustande. KP Plattner zog einen weiteren Vorteil aus den Kontakten zu Kohlhase & Kopp - die Kenntnis der richtigen Lagerung. „Wir haben sofort gelernt, dass hohe Qualitätsstandards bei der Lagerung der Cigarren wichtig waren", erklärt Markus Plattner. Im Gegenzug dazu hätte Austria Tabak so geliefert, wie die Ware angekommen war. Überraschend war, dass sich KP Plattner damals auch um den Davidoff-Vertrieb bemüht hatte. Weil aber vor 1999 tobaccoland den einzigen Zugang zum Markt darstellte und sich die Mannen um Geschäftsführer Robert Lachner schon einen Zehn-Jahres-Vertrag ausgehandelt hatten, war hier nichts zu machen.
Alfred Ackerl, der seinen Großhandel von Mannersdorf am Leithagebirge aus führte, war der Branche schon durch durch seine Rauchrequisiten bekannt. Nun weitete er seine Tätigkeit in Richtung Tabakspezialitäten aus, offerierte Pfeifentabake, Feinschnitt und Cigarren - nämlich die „Caribbean Colurs" aus dem Hause Charles Fairmont.
Viele bekannte Marken fanden in der Folge Einzug auf dem österreichischen Zigarrenmarkt: die Avo XO-Cigarren, Davidoff erweiterte sein Sortiment mit Tubos-Editionen, später dann mit der Ambassadrice, der Zino Mouton Cadet und der Short „T". Villiger stellte La Tradicion Torpedo und Corona vor sowie die Virginier Spezial Mild, von der Capriole kamen die Black und die White auf den Markt, Dannemann hatte die Churchill No.1 und No.3 und Robusto im Sortiment. Dios Tabaccos punktete auch mit der Cuesta Rey Pyramid und zum 125-jährigen Firmenjubiläum legte Dupont gemeinsam mit dem spanischen Unternehmen Worldbest Cigars eine Palette an Cigarren vor (Bild  li.). House of Smoke brachte die Ashton nach Österreich, hergestellt von Arturo Fuente in der Dominikanischen Republik, und präsentierte die bekannteste Cigarre aus der Dominikanischen Republik, die Leon Jimenez, die aus einer der ältesten und renommiertesten Cigarrenfabriken - La Aurora - stammte. Bei KP Plattner gab es neben der Santa Damiana, der Don Diego und der Macanudo auch die Marken Candlelight und Don Antonio. Und Sebastian Zimmel startete seine Importaktivitäten mit der holländischen Marke De Olifant und den rustikal-rauchigen Toscani-Zigarren aus Lucca. Toscani und Antico Toscano sind naturbelassene, dunkle Zigarren aus dark fired Kentucky-Tabaken. Aus Kuba kamen die Romeo y Julieta Churchills, die Montecristo No.4 und Sancho Panza zu uns.

Aber auch im Zubehörbereich tat sich einiges. So brachte die Vorarlberger Firma Cigar Culture (Andreas Bischof) den „Zigarren-Driller" (Bild re.)auf den Markt. Es handelte sich dabei um eine etwas andere Variante des Bohrers, eine patentierte Eigenentwicklung, die versprach kein Brennen auf der Zunge, keine Bröseln vom Anschnitt im Mund.

In Wien war zu dieser Zeit der erste Lady Cigars Club gegründet worden. „Die Cigarre ist das neue Accessoire für Society-Frauen", verkündete die damalige ZIB2-Lady Ingrid Thurnher anlässlich der Eröffnung. Mit dabei waren u.a. Vera Zedka (Chefredakteurin des Reisemagazins traveller), Erica Vaal (die Stimme Lateinamerikas im Radio), Elisabeth Vitouch, ORF-Moderatorin Andrea Wieser, Timna Brauer, Renate Heinzl, Eva Walderdorff, Joe Harriett u.v.a.

Mitte des Jahres 1999 zog die Österreichische Trafikantenzeitung ein Resümee über die Entwicklung des heimischen Zigarrenmarktes:
Der österreichische Zigarrenmarkt war seit 1998 in Bewegung. Zwar verteidigte Austria Tabak mit 65 Eigen- und Lizenzmarken sowie 89 Importmarken noch immer die marktführende Stellung mit einem Marktanteil von 51,5 Prozent. Mit 48,5 Prozent Marktanteil hatten aber die Mitbewerber mit ihren Zigarrenimporten schon mächtig aufgeholt. Rund 40 Millionen Stück Cigarren wurden 1998 abgesetzt. Gegenüber 1997 bedeutete dies ein Plus von 6 Millionen Stück oder 18 Prozent.
Die Konsumenten verhielten sich in ihrem Genuss von Cigarren aber immer noch konservativ. Es waren nicht die hochwertigen Cigarren mit neuen Tabakmischungen aus der Karibik, Mittel- oder Südamerika, die das Ranking beherrschten. Nein, es waren die Marken, die schon sehr lange im Verkauf in Österreich im Spitzenfeld lagen. Die gute alte Virginier-Familie führte die Rangliste der meistgerauchten Cigarre in Österreich mit 3 Millionen Stück weiterhin an. Ihr folgen die „Spezi" und die „Großglockner". Auch die Falstaff-Familie konnte mit 600.000 Stück eine beträchtliche Anzahl absetzen. Bei den Importmarken lag Villiger mit seiner „Curly" voran (560.000 Stück), gefolgt von der „Villiger Kiel jun."
Zumindest in Österreich war der Boom am Zigarrenmarkt aber von den Zigarillos ausgelöst und angetrieben worden. Mit den „Moods" ist der Firma Dannemann ein Riesenhit gelungen. Allein in den ersten fünf Monaten 1999 konnten bereits 5 Millionen Stück Moods abgesetzt werden. Treiber dabei waren die „Moods Filter", die gegenüber dem damaligen Vorjahr ein Absatzplus von 70 Prozent erzielen konnten. Im Fahrwasser dieser Erfolgsgeschichte profitierten auch die „Capriole"-Familie der Austria Tabak ebenso wie die „Pikkolo" sowie die Davidoff Zigarillos, Cafe Creme, Nobel, Al Capone Sweets, die Agio Zigarillos und Panter Mignon, um nur einige zu nennen. Insgesamt bildeten Zigarillos in der Gesamtbetrachtung des heimischen Zigarrenmarktes ein enormes Potenzial. Mit insgesamt (Austria Tabak und Importmarken) 30 Millionen Stück stellen Zigarillos rund drei Viertel des österreichischen Zigarrenmarktes dar.
Die Österreichische Trafikantenzeitung stellte sich dann die Frage: Wo stehen die Nobelmarken? Diese wurden mit einem Stückpreis von 50,- Schilling aufwärts definiert. Damit umfasste diese Kategorie so bekannte Marken wie Davidoff, Dunhill, Dannemann, Avo Uvezian, Wallstreet, Imperiales, Jubilar sowie die bekannten kubanischen Marken. Das innerhalb dieser Kategorie „untere" Preissegment verzeichnete die größten Absätze: Imperiales Superiores, Wallstreet Classic (bspw. 73.000 Stück) oder die Dannemann Havanna Tubes. Bei den höherpreisigen Cigarren verbuchten etwa die Davidoff No.2 Tubos den größten Absatz mit 52.000 Stück.
Die dynamische Veränderung des österreichischen Zigarrenmarktes lässt sich auch anhand der Entwicklung des kubanischen Angebotes nachvollziehen. Noch 1994 war mit der Montecristo No.3 und rund 30.000 Stück Cigarren die Nachfrage komplett erfüllt. Mitte 1999 werden bereits 21 Havanna-Cigarren durch tobaccoland angeboten. Da es vor allem bei Romeo y Julieta und der Cohiba immer wieder zu Lieferengpässen gekommen war, forcierten der Exklusivimporteur Redimex und tobaccoland den Ausbau des Sortiments. Der Erfolg spiegelte sich im Absatz wider: 250.000 Stück kubanische Zigarren fanden 1998 ihre Genussraucher. International setzte sich die Konzentration auf dem Cigarrenmarkt fort. Ein Beispiel dafür ist Swedish Match. Die Skandinavier übernahmen mit El Credito Cigars den Produzenten von La Gloria Cubana, der damals exklusivsten Marke auf dem amerikanischen Markt. El Credito verfügte über Produktionsstäten in der Dominikanischen Republik und Florida und erzeugte damals Cigarren im Verkaufswert von 11 Millionen US-Dollar.


1999 war aber auch das Geburtsjahr des VCPÖ - der Vereinigung der Cigarren- und Pfeifenfachhändler Österreichs. Georg Vacano erinnert sich: „Das älteste vorhandene Protokoll einer Tagung der späteren VCPÖ-Proponenten stammt vom 19.4.1999. 17 Fachhändler nahmen teil. Der Kollegenkreis "sammelte" unter den Teilnehmern Branchenprobleme, welche besonders dringlich bzw. drückend waren. Allen voran wurde das absolute Werbeverbot für Tabakfachgeschäfte genannt, welches anlässlich des EU-Beitritts auf Initiative des Bundesgremiums (Hr. Trinkl) nochmals verschärft wurde, sodass es jetzt völlig unmöglich war, potentielle Kunden über die (neue, über teure Investitionen für Geschäftsumbau und Lager finanzierte) große Auswahl an Cigarren + Zubehör bzw. Pfeifen + Tabake der Fachgeschäfte zu informieren." (Siehe auch den im weiteren folgenden Auszug aus dem Offenen Brief von Klaus W.Fischer an die Gremien.)

Zum Hintergrund: anlässlich des EU-Beitritts Österreichs musste das Tabakmonopolgesetz neu formuliert werden. Bei dieser Gelegenheit war ein Teil des Bundesgremiums dafür, die bisher schon kaum gegebenen Werbemöglichkeiten für Tabakfachhändler noch weiter einzuschränken. Das Kärntner Gremium war als einziges gegen verschärfte Werbebestimmungen. Das Bundesgremium ließ mehrmals abstimmen, bis das neue, generelle Werbeverbot durchging.
„Bei dieser Sitzung", so Vacano weiter, „ wurde erstmals auch der Wunsch nach der Gründung einer "Interessensvertretung" dieser spezialisierten Fachhändler abseits der Bundes- bzw. Landesgremien angeregt bzw. diskutiert. Diese Sitzung gilt daher als erste bzw. "Ur-" sitzung des VCPÖ, obwohl dessen Gründung erst bei der Folgesitzung am 4.10.1999 beschlossen wurde."
Denn Ende der 90er Jahre sah sich der Tabakfachhandel neuen Herausforderungen gegenüber: das sprunghaft angestiegene Cigarren-und Tabakangebot durch neue Private Importeure bei gleichzeitig rasch steigender Nachfrage an Cigarren und Zubehör von Kundenseite. Dies stellte Tabakfachhändler vor wesentliche Spezialisierungs- und Investitionsentscheidungen. Gleichzeitig fehlten zu dieser Zeit qualifizierte Schulungsmöglichkeiten und Informationsquellen. Zudem stieg die Unzufriedenheit mit einzelnen einschränkenden Berufsvorschriften, welche die optimale Betreuung gerade dieser anspruchsvollen Kunden erschwerte und behinderte.
Klaus W. Fischer, Trafikant in Meidling und erster Präsident des VCPÖ (seine erfolgreiche Amtszeit dauerte bis 2018), ergriff damals das Wort und begründete eindringlich die Forderung nach Aufhebung des Werbeverbotes für die spezialisierten Fachhändler. Er wandte sich schon im Mai 1998 in einem offenen Brief an die Gremialvorsteher und Geschäftsführer der Berufsvertretung. Damals stand eine Abstimmung über den §39TabMG („Werbung durch Tabaktrafikanten") an:

 

Die bevorstehende Entscheidung werde die österreichische Rauchkultur dramatisch beeinflussen. Fördernd oder ruinös. Je nachdem. So ähnlich hieß es in diesem Brief. Fischer war schon klar, dass auch die spezialisierten Trafikanten in erster Linie Trafikanten wie alle andere sind, die sich 95 Prozent ihrer Deckungsbeiträge im konventionellen Bereich (Zigaretten, Lotto, Zeitschriften) erwirtschaften. Das Segment Cigarre und Pfeife mache gerade einmal 3 Prozent der österreichischen Konsumenten aus. Fischer: „Es geht um ein kleines, schwieriges Marktsegment, dessen zufriedenstellende Betreuung jedoch unverzichtbar ist, für ein gutes öffentliches Image der österreichischen Trafikantenschaft!" Die Pfeifen- und Cigarrenkunden sind anspruchsvoll und wenn sie ihre Ware nicht in Österreich bekommen, dann lassen sie sich diese aus Passau, Bad Reichenhall, München, Hamburg oder Udine schicken. Und die deutschen Händler liefern wirklich ungeniert, argumentierte Fischer weiter. Für die Trafikanten heißt das, für eine Trafik untypische Investitionen leisten zu müssen. Fischer schätzt für Humidor, Sortiment etc. einen Aufwand von 500.000 Schilling (damals noch) aufwärts. Gleichzeitig sei im Bereich Pfeife und Cigarre der Lagerumschlag ein sehr langsamer. Fischer forderte also gezielte Maßnahmen, um diese Spezialisierung für Pfeifen und Cigarren zu erleichtern. Dazu würden etwa gehören: die Berichterstattung in Lokalzeitungen, eine Art Leitsystem durch Händlernachweise in Fachzeitschriften, Stadtführern und Verzeichnissen von Fachgeschäften und vor allem in den „Gelben Seiten" des Telefonbuches. Apotheken, Ärzte, Steuerberater, Notare - sie alle würden einem Werbeverbot unterliegen - und doch sind sie auf den „Gelben Seiten" mit gestalteten Werbeanzeigen präsent. Fischer mahnt auch ein, dass ein solches Fachgeschäft ein „Gesicht" braucht: den Namen des Inhabers, Visitenkarte, Infomaterialien - und er fordert die Gewährung zur Führung einer Stammkundenkartei. Und wenn diese Spezialisten das schon alles tun, so dürfte Fischer argumentiert haben, dann brauchen wir natürlich auch die Möglichkeit, die Kunden im Umkreis von den Aktivitäten und über die Produkte informieren zu können. Wenn die Kunden keine Chance haben, die Fachgeschäfte zu finden, dann werden sie ihren Bedarf im Ausland oder via Internet decken, klagte Fischer.

Das gesamte Schreiben im Wortlaut finden Sie hier.

 

Reaktionen auf diesen Brief gab es kaum und wenn, dann ziemlich harsche, ablehnende: man werde wegen 30 Leuten keine Änderungen vornehmen oder wegen des läppischen 1-Prozent-Umsatzes. Fischer dachte in weiterer Folge dann an die Gründung eines Arbeitskreises, doch Gerhard Scherzer, ehemaliger Bundesgremialobmann, riet ihm, doch besser einen Verband zu gründen. Ein eigenständiger Verband - wenn auch innerhalb des Monopols - habe mehr Handlungsmöglichkeiten als ein Arbeitskreis.

Immerhin 22 Mitglieder verschiedener Erfa-Gruppen und vom Pfeifenclub waren am 4.Oktober 1999 im oberösterreichischen Regau dabei, als der VCPÖ aus der Taufe gehoben wurde. Kurz darauf erging ein „Vorstellungsschreiben" des neuen Verbandes an verschiedene Branchenteilnehmer. Hier ein Auszug:


„Nach monatelanger Vorbereitung fanden sich am 4. Oktober 1999, im oberösterreichischen Regau, spezialisierte Tabakfachhändler aus ganz Österreich zur Gründungsversammlung ein. Nach eingehender und umsichtiger Diskussion der Verbandsziele wurden die Gründungsmitglieder aufgenommen und in einstimmigen Beschlüssen die Statuten verabschiedet und der Vorstand gewählt. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Projektgruppen, zu besonderen Problembereichen dieses Fachhändlerkreises, gebildet.
Entsprechend seinen Statuten bezweckt der VCPÖ .....
1. die Förderung der Interessen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der österreichischer Cigarren- und Pfeifenfachhändler, mit dem Ziel, die österreichischen Cigarren- und Pfeifenkunden, flächendeckend und dem internationalen Standard entsprechend, durch österreichische Fachhändler zu betreuen.
2. Mit der Verfolgung des Vereinszweckes soll gleichzeitig das öffentliche Ansehen des Berufsstandes der Tabakfachhändler gefördert und ein Beitrag zur Erhaltung und Absicherung des österreichischen Einzelhandelsmonopols geleistet werden.
3. Der VCPÖ ist parteipolitisch unabhängig und nicht gewinnorientiert.
Um diese Ziele zu erreichen beabsichtigen wir, spezialisierte österreichische Tabakfachhändler in ihrer Arbeit mit Informationen, Erfahrungsaustausch und Schulungen zu unterstützen.
Wir sind offen für neue Mitglieder und wollen ebenso Trafikanten beraten und unterstützen, die sich erst mit einer eventuellen Spezialisierung zum Cigarren- oder Pfeifenfachhändler befassen.
Wir bekennen uns entschieden zum österreichischen Tabakeinzelhandelsmonopol und seinen Grundelementen, welches die Existenzgrundlage für den gesamten Berufsstand in seiner heutigen Form bildet. Wir bekennen uns damit auch zum Gebietsschutz und zu maßvollen Werbebeschränkungen, ähnlich wie sie auch für andere Berufsgruppen, z.B. Apotheker und Ärzte gelten. Das derzeitige Werbeverbot dagegen erachten wir als kontraproduktiv, da es eine zufriedenstellende, zeitgemäße Betreuung der österreichischen Genußraucher unmöglich macht und daher dem Image des gesamten Berufsstandes schadet.
Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zur bestehenden und in weiten Bereichen ausgezeichnet arbeitenden Berufsvertretung, sondern wollen Partner für einen Spezialbereich sein.
Wir betrachten uns als Sensoren des Berufsstandes in einem sensiblen Bereich, der nichtspezialisierten Tabaktrafikanten mangels Kundenreaktionen verborgen bleibt. Wir möchten dieses Spezialwissen in den Berufsstand einbringen und gemeinsam mit Monopolstellen und Berufsvertretung ein österreichweites Konzept erarbeiten, welches - trotz monopolgeschützter Trafikantenschaft - eine erstklassige Betreuung der österreichischen Genußraucher sicherstellt."

 

VCPÖ-Obmann wurde Klaus Fischer (Bild li.), sein Stellvertreter Kurt Wolfgang Sibitz aus Bruck/Mur, als Schriftführer fungierte Georg Vacano (Bild unten re.), sein Stellvertreter war Ingomar Seebacher (verstorben im Mai 2019) , Finanzreferent wurde Heinz Dallinger (Vösendorf), sein Stellvertreter war Günther Sterger aus Wien. Weitere Gründungsmitglieder waren: Robert Kardeis, Franz Huber (St.Georgen!), Herr Kussberger, Karl Gausterer, Ilse Sturm, Silvia Reisenberger, Andreas und Erwin Meixner, Gerhard Bardel, Doris und Günther Reiter, Herr und Frau Dobnig aus Lienz, Wolfgang Fischer und Gerold Salzgeber.
Entscheidend war die sofortige Gründung einer Arbeitsgruppe „Monopol und Öffentlichkeitsarbeit", die sich genau um jene Fragen kümmern sollte - gemeinsam mit MVG und Bundesgremium -, die Fischer in seinem offenen Brief angeschnitten hatte. Eine zweite Arbeitsgruppe „Cigarre und Accessoires" (dass man Cigarre mit C schreiben wollte, war ein eigener Verbandsbeschluss!) unter der Leitung von Georg Vacano sollte verschiedene Hilfestellungen wie etwa ein vollständiges Lieferverzeichnis erarbeiten, das auch als Verkaufshilfe gedacht war. Darüber hinaus sollen enge Kontakte zu Herstellern und Importeuren gehalten und Schulungen veranstaltet werden. Weitere Projektgruppen widmeten sich den Themen „Pfeife und Tabake", „Internet und VCPÖ-Homepage". Und für Anfang März 2000 wurde die nächste VCPÖ-Tagung terminisiert.
Dieses erste VCPÖ-Cigarren-Verzeichnis wurde erstellt, um den Über- bzw. Durchblick über die so plötzlich über die Cigarrenfachhändler hereingebrochene Vielfalt an Lieferanten und ihren Angeboten zu gewährleisten.
Die Excel-Liste (vom 30.11.1999) hatte am unteren Ende diverse Reiter, sodass man die Liste nach Großhändler, nach Long- oder Shortfiller, Produktionsland, Deckblatt/Einlage/Umblatt, Länge/Durchmesser, Stückpreis, Verpackung in Stück und nach Stärke, Reife, Geschmack und Aroma selektieren konnte. Eine sehr detaillierte Beschreibung, die Trafikanten in dieser Form nicht bekannt war.
Demnach lag tobaccoland nicht unerwartet mit fast 9.000 Stück Cigarren in Führung, gefolgt von House of Smoke mit knapp 3.800 Stück, Dios Tabaccos mit knapp 1.500 Stück, KP Plattner mit rund 1.400 Stück und Cigar & Co von Sebastian Zimmel mit 635 Stück. Der Gesamtwarenwert des Fassungslagers (nach Einkaufspreis für Tabakfachgeschäfte) betrug damals über 420.000 Euro.

Und wie ging es den Großhändlern mit dem neu gegründeten Verband?
Georg Vacano erinnert sich: „Schwierigkeiten haben damals alle gehabt. Nicht nur die Trafikanten, sondern auch der Großhandel hatte Probleme mit der richtigen Lagerung. Die Ware ist entweder zu trocken oder zu feucht angekommen. Beim Marktführer tobaccoland bestand das Sortiment zu 98 Prozent aus Zigaretten. Cigarren war dort immer nur Nebenprodukt und standen oft drei Tage lang irgendwo herum. Erst auf Proteste der Trafikanten hat tobaccoland in die entsprechende Technik der Lagerung investiert. Wir wussten vor der Gründung nicht, was wir bestellen sollten, die Kunden löcherten uns wegen Informationen. Die Trafikantenschaft war damals - außerhalb des Gremiums - wenig organisiert. Klaus Fischer war in einer Erfa-Gruppe für Pfeifen und Tabake. Wir wollten unsere speziellen Interessen gegen Gremium und MVG organisieren. Und kaum war die Information, dass der VCPÖ gegründet worden ist, draußen, waren wir für den Großhandel interessant."
Bei KP Plattner relativierte man diese Ansicht: „Es gab damals mehrere Ideen zu solchen Einkaufsgenossenschaften, nicht nur den VCPÖ. Die wollten alle in erster Linie günstigere Einkaufskonditionen. Aber natürlich waren wir an einer Zusammenarbeit interessiert. Wir haben später dann ja auch die Cigarre des Monats gemeinsam gemacht." Kaspar Plattner geht ins Detail: „Die Marken Santa Damiana und Macanudo haben wir als erste in Österreich eingeführt. Ebenso die Rocky Patel, die erst vor wenigen Jahren zu tobaccoland gewandert ist. tobaccoland will in diesem Bereich die Nummer 1 werden. Damals gierten alle nach Longfillern und wir haben mit der Candlelight von von Eicken auch schon Shortfiller importiert." Über die generelle Situation erzählt Kaspar Plattner: „Anfangs haben wir die Santa Damiana nicht ausgeliefert, wenn die Trafik keinen Humidor hatte. Als tobaccoland den Trafikanten dann alles hinstellte, war diese Maßnahme obsolet."
House of smoke, Dios Tabaccos, KP Plattner, Moosmayr waren - neben den regionalen Monopolstellenleitern in Tirol und Oberösterreich - dann auch die ersten Stationen der Vorstellungsreise des VCPÖ. Und im Süden besuchte man - mit einem zeitlichen Abstand - Rupert Warranitsch von Swedish Match.

Da die Mitgliedsbeiträge des VCPÖ gerade mal für die Deckung der administrativen Kosten reichten, war die Idee, dass der Großhandel Events sponsern solle. Deshalb traf man mit allen Großhändlern entsprechende Vereinbarungen.
Die Forderung des VCPÖ waren - über die jeweils geltenden Standardkonditionen wie Skonto, Zahlungsziel, Lieferung frei Haus, folgende: ein VCPÖ-Sonderrabatt von 5 Prozent auf den Listenpreis; 5 Prozent Skonto bei Bezahlung innerhalb von 7 Tagen oder Abbuchung mit Monatsrechnung; einen Werbekostenzuschuss von 2 Prozent auf alle von VCPÖ-Händlern getätigten Jahresnettoumsätze (ausgenommen Tabakwaren). Als Gegenleistung gibt's eine jährliche Mitgliederliste, eine Empfehlung des Verbandes an seine Mitglieder, einen Link auf der Homepage und die Unterstützung des Verbandes bei allen Marketingaktivitäten des Großhändlers in Österreich.

Zwei Fachtagungen im Jahr - das war die Idee von Anfang an. Der Großhandel begann dann auch, Informationen zusammenzustellen. Der VCPÖ war allerdings von Beginn weg Anfeindungen durch das Bundesgremium ausgesetzt. Vacano: „Das hat vor allem damit zu tun gehabt, dass der VCPÖ - obwohl deklariert parteipolitisch unabhängig - politisch für das Gremium und den Obmann Peter Trinkl (verstorben im August 2019) nicht einzuschätzen war." Das habe sich zwar mit der Zeit gebessert, räumt Vacano ein, und ging schließlich soweit, dass zu Zeiten der Proteste gegen TPD 2 der VCPÖ quasi die Führung des Widerstandes durch die heimischen Trafikanten übernahm - in Abstimmung mit dem Gremium.

Vacano weiter: „Die Vertriebspolitik wurde von Austria Tabak und tobaccoland bestimmt. Tobaccoland hat importiert und ausgeliefert, verlangte einen geringen Beitrag für die Speditionsleistung, für Werbung und Marketing musste man allerdings extra zahlen. Und dann musste das immer für alle 4.000 Trafiken gleich sein. Das war den Erzeugern dann meist zu viel, die wollten nur für die größeren Trafiken investieren, oder nur dort, wo ihre Marken auch zu finden waren. In meinem Geschäft hingen immer wieder Plakate herum von Marken, die ich gar nicht verkauft habe." Davidoff und Dannemann hätten dies dann selbst in die Hand genommen. Stefan Luchner, noch heute Repräsentant, baute das Marketing für Dannemann auf. Die Gewinne aus den Moods-Verkäufen hätten dann erst die Investitionen in Longfiller (Nicaragua-Linie und Brazil-HBPR) ermöglicht.

 

Etwa zur selben Zeit, als sich die Gründung des VCPÖ anbahnte, erreichte auch Georg Vacano als Trafikant einen Meilenstein in seiner Entwicklung. Er konnte in seiner Trafik in der Kettenbrückengasse das erste Davidoff-Accessoire-Depot in Österreich eröffnen. Vacano erinnert sich, dass Davidoff damals einen Flagship-Store in Österreich errichten wollte. Das durften sie aber aus Gründen des Tabakmonopols nicht, sie brauchten also einen Trafikanten als Partner. Der erste Ansprechpartner für Davidoff war Helmut Mohilla. Sie legten ihm einen Standardvertrag vor, den Mohilla als Knebelung ansah und nicht unterschrieben hat. Die Austria Tabak hat daraufhin Davidoff von der Geschäftseröffnung der Trafik Vacano informiert. (Der Jazzpianist und spätere Cigarrenproduzent Avo Uvezian sorgte für die Hintergrundmusik.) Nach der Kontaktaufnahme hat Vacano den Vertrag den Monopolbedingungen angepasst. Exklusivität gab es nur beim Zubehör. Die Folge waren spezielle Schulungen in der Schweiz und bei Henky Kelner in der Dominikanischen Republik. Das, so räumte Vacano ein, gab ihm einen gewissen Wissensvorsprung. Dau kam, dass sich die Firma Redimex (Exklusivimporteur für kubanische Cigarren) in Österreich bekannter machen wollte und deshalb - auf englisch! - ein Preisausschreiben in der Trafikantenzeitung platzierte. Der Preis war eine Reise nach Kuba. Vacano konnte alles richtig beantworten und durfte nach Kuba reisen und dort an Schulungen teilnehmen. Wieder zurück gründete Vacano einen Cigarrenclub für seine Kunden, das Tabakskollegium. Ein solches gibt es immer noch - derzeit tagt man im Cafe Cubita in 1140 Wien.

Es waren spannende Zeiten damals, "Goldene Zeiten", wie sie Georg Vacano bezeichnete. Die Nachfrage war groß, die Preise waren den Kunden im wesentlichen egal. Hauptsache es gab überhaupt viel mehr Cigarren. Der Wissensstand wuchs und die Qualität der Lagerung nahm zu. Und doch waren die Trafikanten, die sich auf Cigarren und Pfeifen spezialisierten, in erster Linie Trafikanten mit all dem üblichen Sortiment einer Trafik - und mit all den üblichen Beschränkungen und Querelen mit der Monopolverwaltung.
Der Exkurs im folgenden Kapitel beschreibt den „Tabakhandel in Fesseln" - in Anlehnung an die damalige Serie von Reinhold Widmayer im Cigar Journal.

Copyright: Helmut Spreitzer

 

1 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 5, 1999
2 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 7, 1999
3 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 8, 1999
4 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 6, 1999
5 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 7, 1999
6 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 6 und 7, 1999
7 Österreichische Trafikantenzeitung, Heft 9, 1999

 

Bilder ©ÖTZ, VCPÖ

 

 


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