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Zigarre in Österreich

Die Virginier bricht ein (04.02.2019 - 13:57:28}

Der Zigarrenmarkt in Österreich
Kapitel 2/10

 

Die Virginier bricht ein


Im April 1939 wurde die Österreichische Tabakregie, die bis dahin als Monopolbetrieb installiert war, in die Austria Tabakwerke AG umgewandelt. Der erste Schritt, sie zu einem Gewinn bringenden Privatbetrieb umzuformen. Gründungsaktionäre waren das Deutsche Reich, zwei Beamte der Reichsregierung, eine Privatperson und die Reichs-Kredit-Gesellschaft in Berlin. Der ATW-AG standen damals neun Fabriken zur Verfügung: Fürstenfeld, Hainburg, Hallein, Klagenfurt, Linz, Schwaz, Stein und in Wien-Favoriten und Wien-Ottakring. Zigarren - genauer: Schlußzigarren - wurden damals in Fürstenfeld, Hallein, Klagenfurt, Schwaz und Wien-Ottakring produziert. Stein produzierte exklusiv die Virginier. Zwischen 1939 und 1941 wuchs die Produktionsmenge bei Zigarren um 34,3 Prozent. 1

 

Noch bevor deutsche Truppen 1940 Paris besetzten, erhielt Zino Davidoff das Angebot, über zwei Millionen Havannas zu einem günstigen Preis zu kaufen. Er ließ sich auf das Geschäft ein - und wurde der einzige Zigarrenhändler weltweit, der während des gesamten Krieges Havannas anbieten konnte. Zino Davidoff war 1925 aus der Schweiz zu seinen Lehr- und Wanderjahren nach Südamerika aufgebrochen, wo er über Argentinien und Brasilien nach Kuba gelangte. Erst 1930 kehrte er in die Schweiz zurück, zuerst nach Lausanne und dann ins väterliche Geschäft nach Genf. 1a

 

Im Herbst 1944, wenige Monate vor der endgültigen Vernichtung des Hitler-Regimes, als die Theater geschlossen waren, nur mehr wenige Zeitungen erschienen, die Frauen bereits in die Rüstungsbetriebe geschickt worden waren, da konnte Austria Tabak aus Mangel an Rohtabak nur noch eine Einheitszigarette herstellen - die „Sondermischung". Daneben erzeugte die Regie noch fünf Zigarrensorten mit beschränkter Stückzahl - die „Graciosas", die „Selectos", die „Trabucos", die „Cuba-Portorico" und die „Pagat", eine Einheits-Virginier. Die Produktionsmenge von 58 Millionen Stück entsprach einem Minus von 55,7 Prozent gegenüber dem, was noch 1939 an Zigarren gefertigt worden war. 2

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten Zigaretten in der gesamten Regieproduktion dann rasch 68,3 Prozent des gesamten Tabakwarenverkaufs aus und haben sich somit seit 1925 fast verdoppelt. Auch der Feinschnitt für „selbstgedrehte" Zigaretten erfuhr unmittelbar nach Kriegsende eine Steigerung auf 14,5 Prozent. Pfeifenraucher waren 1945 noch stärker vertreten mit 12,1 Prozent, wohingegen die Zigarre nur 3,8 Prozent der verkauften Produkte ausmachte. Schnupf- und Kautabak kamen insgesamt nur auf 1,3 Prozent.
Erst gegen Ende des Jahres 1945 war es möglich - bei einem stark eingeschränkten Sortiment - ein einheitliches Erzeugungs- und Verkaufsprogramm zu erstellen. Abhängig war man dabei von den verbliebenen Rohtabakvorräten.

 

Natürlich war auch der gesamte Verschleißapparat durch Kriegseinwirkungen, Plünderungen und Beschlagnahmen hart
mitgenommen worden. Um das Verkaufsprogramm ab 1946 wieder durchführen zu können, war es nötig, die Verkaufsorganisation wieder aufzubauen. Die Verleger und Trafikanten in Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark hatten fast alle ihr Betriebskapital eingebüßt. Die Hilfsmaßnahmen des Kommerziellen Verkaufsdienstes
der ATW-AG begannen bereits im Sommer 1945. Im Rahmen eines Wettbewerbes wurden Trafikanten, die sich bereit erklärten, für die Wiederherstellung ihrer beschädigten Verkaufslokale selbst zu sorgen, Geldunterstützungen gewährt. Auf diese Weise konnten von 996 zerstörten Trafiken 516 wieder hergestellt werden. Dafür wurden mehr als 271.000
Schilling ausbezahlt. Den Inhabern total zerstörter Trafiken wurden Subventionen bis zu 5.000 Schilling gewährt. Die Hälfte von 150 total zerstörten Trafiken konnten damit wieder aufgebaut werden. Etwas mehr als 100.000 Schilling wurden dafür aufgewendet. Diese Aktion wurde bis Ende Dezember 1946 fortgesetzt. Als das Schillinggesetz die Zahlungsfähigkeit vieler Trafikanten und damit die Versorgung der Bevölkerung gefährdete, wurden den Trafikanten bei Kontensperren unter gewissen Bedingungen Begünstigungen gewährt. Den Tabakhauptverlegern wurde gegen Kredit geliefert. Die Kreditsumme erreichte damals rund 18 Millionen Schilling. Gleichzeitig wurde aber auch die rechtliche Stellung der Tabakverleger geändert. Sie waren nun keine Eigenhändler mehr, sondern Verkaufskommissionäre. Ins Spiel kam damals auch die „Wohlfahrtseinrichtung der Tabakverschleißer Österreichs", die sich nicht nur auf freiwillige Beiträge der Trafikanten stützen  konnte, sondern auch auf Geldmittel der Austria Tabakwerke. 3

 

Anfang 1946 wurde die „Sondermischung" wieder aufgelassen und dafür die Produktion von Qualitätszigaretten aus Orienttabaken aufgenommen. 1946 war im übrigen auch jenes Geschäftsjahr der ATW-AG, wo für das gesamte Bundesgebiet Österreichs ein einheitliches Rauchwaren-Versorgungsprogramm erstellt worden ist. Die alliierten Besatzungsmächte genehmigten damals eine Ermächtigung des Finanzministeriums, wodurch der ATW-AG die gleichmäßige Verteilung von Tabakwaren an die Bevölkerung übertragen worden ist. Um diese Verteilung unter Kontrolle zu bringen, wurden sogenannte „Raucherkarten" verteilt. Männer über 18 Jahre erhielten eine Raucherkarte mit vier Abschnitten. Für einen Abschnitt gab es etwa 10 Zigaretten oder 3 Zigarren der Sorte Pagat oder zwei Stück einer besseren Zigarre. In der Regel gab es alle vier Wochen eine neue Karte.
1947 gab es zusätzlich zur Raucherkarte, deren Gültigkeit auf das Versorgungsgebiet (Bundesland) beschränkt wurde, noch eine bundesweit gültige Zusatzkarte. Sodass ein Raucher im Laufe des Jahres neben 350 Zigaretten noch 196 Pagat-Zigarren oder 126 Einheits-Virginier und 2 Trabucos oder 106 bessere Zigarren via Raucherkarte beziehen konnte. 1949 wurde die Rauchwarenbewirtschaftung in dieser Form wieder aufgehoben. Gleichzeitig erfolgten massive Preisherabsetzungen und frühere Standardsorten wurden in „friedensmäßiger Qualität" wieder eingeführt, wie etwa auf dem Zigarrensektor die Virginier, die Regalitas, Spezi, Palmas, Rositas und die Havanna Zigarillos.
Am 10.September 1949 trat das Tabakmonopolgesetz in Kraft, welches die Position der Austria Tabakwerke gegen den Schleichhandel stärkte. Am 1.Jänner1950 trat ein neues, mit den Tabakverlegern verhandeltes Handelsspannenschema in Kraft. Auch die Provisionen der Trafikanten wurden neu geregelt. 4

 

Zur selben Zeit startete in Deutschland das Zeitalter des Wirtschaftswunders - mit dabei eine Zigarre, die wie keine andere den Aufschwung in der Nachkriegszeit repräsentierte: die Handelsgold aus dem Hause Arnold Andre. Finden Sie hier einen kleinen Rückblick auf die Geschichte der Handelsgold.

 

Die Zigarrenproduktion hatte ab 1946 wieder einen Aufschwung erfahren, der aber nur bis etwa 1959 andauerte. Man erreichte 1946 mit insgesamt 109 Millionen Stück Zigarren (Schlußzigarren und Virginier zusammen) den Höhepunkt der Produktion nach dem 2.Weltkrieg. Das entsprach immerhin 83 Prozent dessen, was noch 1939 produziert werden konnte. 1970 war diese Produktionsmenge dann auf 81 Millionen Stück zurückgegangen. Der Grund dafür lag in einem gewaltigen Einbruch der Virginier, deren Produktionsmenge um 80 Prozent zurückgefahren werden musste. 5

Zehn Jahre später, Mitte der Fünfziger Jahre, hatte sich der Zigarettenverkauf um 13,2 Prozent auf 81,5 Prozent gesteigert. Der Feinschnitt für Zigaretten erfuhr einen enormen Rückgang um 12,5 Prozent auf 2,0 Prozent, wohingegen der Pfeifentabak annähernd gleich blieb mit 11,4 Prozent. 1965 war der Zigarettenverkauf mit 89,8 Prozent wieder um etwa acht Prozent gestiegen. Der Zigarrenverkauf sank marginal, der Pfeifentabak hingegen wurde drastisch weniger und machte nur noch 4,9 Prozent aus. Schnupf- und Kautabak waren fast schon ganz vom Markt verdrängt und machte nur noch 0,4 Prozent aus. 6
Rationalisierung und Steigerung der Produktivität standen damals ganz oben auf der Agenda der ATW-AG. Dies betraf vorerst nur die Zigarettenproduktion, weil laut einer Maschinen-Verordnung aus dem Jahre 1934 in Deutschland jene Betriebe steuerlich begünstigt wurden, die ihre Zigarren in Handarbeit herstellten. (Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik hatte diese Verordnung auch in der Ostmark Gültigkeit.)
Erst 1955 schaffte man die ersten Maschinen für die mechanische Erzeugung von Zigarren an. Das Rollen per Hand wurde im Laufe der Zeit (bis auf wenige Luxuszigarren) ganz aufgegeben. Und die Rationalisierung trug Früchte. Im Bereich der Zigarettenproduktion sowieso, aber auch bei der Erzeugung von Zigarren konnte die Produktivität wesentlich gesteigert werden. Wurden 1947 pro Fertigungsstunde noch 50 Stück Zigarren produziert, stieg dieser Faktor 1966 auf über 100 Stück und erreichte 1970 den Höchstwert von 150 Stück pro Stunde.7

 

Werbung und verkaufsfördernde Maßnahmen waren nach dem Krieg weniger ein Mittel zur Bekämpfung der Konkurrenz, sondern ein „Dienst am Kunden". Mit der zunehmenden Gefahr durch den Schwarzen Markt sah man sich bei der ATW AG zu einer Änderung der Firmenphilosophie gezwungen. Mit Plakaten wandte man sich direkt an Raucher. Im Zentrum der Bemühungen stand aber die Vereinheitlichung der äußeren Aufmachung der Trafiklokale. So sollte es einen einheitlichen Farbton geben - beige als Grundton, tabakbraun für die Beschriftung. Einheitliche Steck- und Wandschilder (Rauchring) wurden eingeführt und Auslagen, Schaukästen und Vitrinen sollten einheitlich gestaltet werden. Dafür stellte die ATW-AG kostenlos Auslagenarrangeure zur Verfügung. Trafikanten, die sich an die Regeln hielten, kamen in den Genuss begünstigter Kredite. Für Trafiken in denkmalgeschützten Gebäuden wurde das „Barockschild" angefertigt.
Darüber hinaus stattete man Spezialitätengeschäfte mit einem einheitlichen Kennzeichen aus. Neutrafikanten wurden zur Einschulung unentgeltlich Verkäuferinnen für die Einführungszeit von 14 Tagen zur Verfügung gestellt. 8

 

 

Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO beschrieb in Heft 3-1950 seiner Publikationsreihe „Die wirtschaftliche Lage in Österreich" u.a. auch die Tabakbranche. Darin heißt es:
„Die reichliche Versorgung mit Rohtabak und eine elastische Preispolitik ermöglichten es der Tabakregie in den Jahren 1948 und 1949 den Schwarzen Markt mehr und mehr zurückzudrängen. Der mengenmäßige Absatz der Tabakregie im Inland hatte sich seit 1946 von Jahr zu Jahr erhöht. Vor allem ließen ihn die Preisherabsetzungen in den Jahren 1948 und 1949 rasch steigen." Dies betraf allerdings im wesentlichen den Absatz von Zigaretten, weniger den von Zigarren, der laut WIFO um 41,8 Prozent hinter den Absatzzahlen der Vorkriegszeit zurückgeblieben war. Die Ursache mag zum einen in der schwierigen Rohstoffbeschaffung für Zigarren, Rauchtabake etc. gewesen sein, zum andern aber sicherlich auch eine Veränderung der Rauchgewohnheiten der Konsumenten. Diese Preisherabsetzungen für Zigaretten steigerten den mengenmäßigen Absatz, beeinflussten aber negativ den wertmäßigen Absatz.
1947 war der Zigarettenabsatz der Tabakregie hauptsächlich von den Zuteilungen und dem Angebot auf dem Schwarzen Markt abhängig. Auffallend war für das WIFO aber in einer Statistik die hohen Umsätze der Tabakregie im Dezember 1947 „infolge der „Angstkäufe" von freien Zigaretten vor dem Währungsschutzgesetz."

Der Gesamtverbrauch von Tabakwaren war in Österreich auch im Jahr 1949 niedriger als in der Vorkriegszeit. Da vermochte also auch der mittlerweile hohe Zigarettenkonsum noch nichts an der Gesamtstatistik zu ändern - der Anteil der Zigaretten an den Erlösen lag seit Kriegsende bei mehr als 90 Prozent.
Die Verkaufserlöse der Tabakregie hatten sich nach rund 755 Millionen Schilling im Jahr 1946 im Folgejahr auf 1,4 Milliarden Schilling nahezu verdoppelt. 1948 stiegen die Erlöse auf 1,53 Milliarden Schilling, um 1949 auf 1,37 Milliarden Schilling leicht zurückzufallen.
"Dass der Aufwand der Konsumenten für Tabakwaren im Jahr 1949 den der Vorkriegszeit um 15 Prozent überschritt, schien angesichts des gesunkenen Realeinkommens zunächst überraschend. Es war allerdings zu berücksichtigen, dass die Bevölkerung um 5 Prozent gewachsen war (auf 7,09 Millionen Menschen) und dass der Beschäftigtenstand bei den Unselbständigen um 40 Prozent zugelegt hatte. D.h. etwa 550.000 mehr Menschen hatten Arbeit und damit Einkommen. So gesehen legte der Aufwand pro Kopf bei Tabakwaren nur um 9 Prozent zu. Und das, obwohl die Preise für Tabakwaren zwischen 1937 und 1949 stärker gestiegen waren als die Einkommen der Arbeiter.
Tabakwaren hatten immer schon auch eine fiskalische Bedeutung. Vergleiche mit der Vorkriegszeit seien aber unzulässig, erklärte das WIFO. Denn „damals hob der Staat keine Verbrauchssteuer für Tabakwaren ein und nur der Monopolbetrag floss in die Staatskassa (...), hebt der Staat seit Kriegsende auch die Tabaksteuer und den Aufbauzuschlag ein."


In den ersten Nachkriegsjahren war der Tabakwarenverkauf eine sehr ergiebige Einnahmequelle. Auf die Tabaksteuer einschließlich Aufbauzuschlag entfielen in den Jahren 1947 und 1948 nahezu 20 Prozent der gesamten Staatseinnahmen. Die steuerliche Belastung der Tabakumsätze betrug damals 76 bzw. 72 Prozent und ging durch die Preisherabsetzungen im Jahr 1949 auf 68 Prozent zurück. Gleichzeitig sank der Anteil an den Staatseinnahmen auf 15 Prozent. Für die Zukunft vermutete das WIFO, dass „eine Steigerung der Staatseinnahmen aus dem Tabakkonsum ohne höhere steuerliche Belastung nur möglich sein dürfte, wenn der Schwarze Markt ohne weitere größere Preissenkungen zurückgedrängt werden könnte." 9

Im Verschleiß von Zigarren musste 1950 wieder ein kleines Minus festgestellt werden. Mengenmäßig ging der Absatz von Zigarren gegenüber 1949 um zwei Millionen Stück zurück, wertmäßig gab es ein Plus von 8 Millionen Schilling. Geschuldet war dieses Ergebnis der Verlagerung zum Konsum teurerer Marken.
Eine andere Frage, die in diesem Zusammenhang wert ist, näher betrachtet zu werden, ist die der Pro-Kopf-Quote der Raucher: wie hat sich diese rund um die Kriegswirren und danach entwickelt? Wurde etwa für das Jahr 1925 noch eine Pro-Kopf-Quote von 32 Stück Zigarren pro Jahr errechnet und hielt sich diese Stückzahl mit 30 bzw. 31 Stück bis ins Jahr 1930 relativ konstant, so fiel diese Quote bis zum Jahr 1937 - die Zeichen er Weltwirtschaftskrise waren mittlerweile deutlich spürbar, der Weltkrieg stand bevor - auf 15 Stück pro Kopf.
Nach dem Krieg war natürlich die knappe Rohstoffsituation ursächlich dafür verantwortlich, dass sich die Kopfquoten bei Zigarren nur zögerlich entwickelten. Von 1946 bis 1951 pendelte diese Quote zwischen 8 und 10 Stück pro Kopf und Jahr. Erst danach - als die Rauchwarenbewirtschaftung schon wieder aufgehoben war und der Schwarzmarkt entsprechend wieder eingeschränkt werden konnte setzte wieder ein leichter Aufschwung ein. Dazu trug auch die Preisreduzierung bei, die den Konsum stimulieren sollte. 10

Mit einer zunehmenden Verbesserung der Rohtabakversorgung hatte das Angebot der Austria Tabak eine mehrfache Erweiterung des Sortiments erfahren. Bei den Zigarren sah dies folgendermaßen aus:
1949 kamen die Coronas, Regalitas, Palmas, Rositas, Spezi, Havanna-Zigarillos, Senor dazu
1951 folgte die Regalia Media
1954 kamen die Graciosas, die Großglockner auf den Markt
1955 ergänzten die Entreactos, Operas und Portorico das Sortiment.
1952 wurde in der ATW-AG ein eigener Werbebeirat installiert, der seither die Werbemaßnahmen koordinierte. Der Kommerzielle Verkaufsdienst der Tabakregie gab außerdem die Zeitschrift „Erfolgreiche Geschäftsführung" heraus, in der sich wertvolle Hinweise und Informationen in Sachen Verkaufsförderung fanden. (Ab 1953 erschien diese Zeitschrift als Beilage der Österreichischen Trafikantenzeitung ÖTZ, dem offiziellen Organ des Bundesgremiums für Tabaktrafikanten und -verleger.) Anläßlich der Preisregulierung 1954 startete die ATW die Werbekampagne „Schall und Rauch" (Radiospots). Und in die zunehmend aktivere Verkaufspolitik wurden dann auch die Trafikanten einbezogen. Es gab Schulungskurse für sie.
Gleichzeitig bemühte sich die Austria Tabakwerke AG intensiv um die Verbesserung ihres Know-hows. So findet sich in den „Fachlichen Mitteilungen" auch eine lange Abhandlung über die Erkenntnisse in Zusammenhang mit der Veränderung der Stärke der Zigarren während ihrer Lagerung. Man kam dabei zu dem Schluß, wie wichtig es sei, „bestimmte Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen in den Magazinen" einzuhalten, in denen „die Zigarrenrohstoffe nach ihrer eigentlichen Fermentation und vor der Zigarrenfabrikation gelagert werden. In kalten und trockenen Lagern sind die enzymatischen Vorgänge auf ein Minimum reduziert; die Stärke des Tabaks und sein Aroma bleiben lange Zeit völlig unverändert, aber auch das Aroma erfährt keinerlei Verfeinerung. Tabake, welche in wärmeren und nicht allzu trockenen Lagern bei ständiger Erneuerung der Luft nicht allzu lange aufbewahrt werden, erfahren bereits hier in gelindem Ausmaß alle aufgezeigten Veränderungen der positiven Lagerungsperiode, somit eine Verminderung ihrer physiologischen Wirkung, eine Verfeinerung ihres Aromas und eine Zunahme ihrer Combustibilität." 11


Anfang 1954 wurde von der Österreichischen statistischen Gesellschaft eine Befragung der Wiener Bevölkerung über ihren Tabakkonsum durchgeführt. Demzufolge rauchten damals 82,7 Prozent der Männer und 25,9 Prozent der Frauen. „Manuelle" Arbeiter rauchten deutlich mehr als „geistige" Arbeiter. Bei den Frauen war es gerade umgekehrt - aber mit natürlich niedrigeren Prozentsätzen. Man interpretierte dies als Hinweis dafür, dass in gewissen Frauenberufen wie Sekretärinnen, Stenotypistinnen etc. das Rauchen viel mehr verbreitet war als angenommen worden war. Als reine Zigarettenraucher deklarierten sich 84,1 Prozent der Raucher. Als reine Zigarrenraucher nur 1,7 Prozent. Als Zigaretten- und Zigarrenraucher sahen sich 3,3 Prozent. Die Betrachtung nach Jahrgängen zeigte überdies, dass immer mehr jüngere Frauen rauchten. 12
Im Mai 1955 - Österreich war gerade „frei" geworden - berichtete das Linzer Volksblatt über die wirtschaftlichen Ergebnisse des 1. Quartals der Austria Tabak: „Der Rauchwarenumsatz der österreichischen Tabakregie belief sich im 1. Quartal d. J. auf 1502,6 Millionen Stück Zigaretten im Konsumentenwert von 411,4 Mill. S, 16,4 Mill. Stück Zigarren im Wert von 15,4 Mill. S.. Der gesamte Konsumentenwert der in den ersten drei Monaten d. J. verkauften Rauchwaren beträgt demnach rund 456, 5 Mill. Schilling." Und weiter: „Bei Zigarren stehen mengenmäßig "Havanna Zigarillos" mit 6,9 Mill. Stück im Werte von 4,1 Mill. S, wertmäßig "Virginier" mit 3,7 Mill. Stück im Werte von 4,4 Mill. S an erster Stelle." 13
Und die Arbeiter-Zeitung berichtete über Einfuhrbeschränkungen: „Reisende, die nach Österreich kommen, sollen Gegenstände des persönlichen Gebrauches, darunter Fahrräder, Zelte und andere Campingausrüstungen, Photoapparate, Reiseschreibmaschinen, persönlichen Schmuck, Kinderwagen, 200 Zigaretten oder 50 Zigarren und geringe Mengen Parfüm zollfrei mitnehmen dürfen." 14

 

Im ersten Halbjahr 1957 meldete die Österreichische Tabakregie einen sowohl nach Menge als auch nach Wert steigenden Absatz von Tabakwaren. Bei den Zigarren fuhren insbesondere Coronas, Großglockner, Regalia Media, Rositas, Spezi, Havanna-Zigarillos und Senor bemerkenswerte prozentuelle Steigerungen ein.

Zu Jahresende 1959 hatte das Sortiment der ATW-AG einen Umfang von 21 Sorten Zigaretten (die neueste Errungenschaft war damals die Smart Export), 16 Sorten Zigarren sowie 1 Sorte Schnupftabak, 2 Sorten Zigarettentabak, 5 Sorten Pfeifentabak und 2 Sorten Kautabak.
Die Modernisierung des Maschinenparks der Fabriken schritt voran und hatte im Ausland schon große Aufmerksamkeit erregt. So kam es, dass 1960 und 1961 zahlreiche internationale Anfragen auf den Schreibtischen der Manager landeten, die anboten, große Weltmarken in Lizenz herzustellen. Seitens der ATW-AG stand man diesen Ansinnen eher zurückhaltend gegenüber - man war ja schließlich Monopolist im eigenen Haus. Eine Ausnahme machte man vorerst nur für die Marke Peter Stuyvesant. In den folgenden Jahren bis 1970 wurde das Angebot an Lizenzprodukten jedoch sukzessive erweitert. Das betraf in erster Linie den Bereich Zigaretten, wo nun neben der Marlboro auch HB, Winston, L&M, Chesterfield, Ernte 23 und Kent in Lizenz hergestellt wurden. Bei den Zigarren standen lediglich die Tiparillo und die Ritmeester Rozet auf der Agenda. 15

 

Schon damals - anfangs der 1960er Jahre - gab es Bestrebungen zur wirtschaftlichen Integration Europas. (In dieser Zeit stand im übrigen auch die Aufhebung des Monopols zur Debatte.) Die Verpackungen wurden mit erheblichem Aufwand verbessert. Die Erhaltung der Qualität rückte in den Mittelpunkt und ging mit weiteren Sortimentsergänzungen einher. Bei den Zigarren fanden sich folgende neue Marken:
1959 Arlberg
1960 Wachauer
1961 Kavalier
1962 Caballero
1964 Pikkolo
1965 Spezial Regie Virginier, Olympicos, Enzian, Princesas
1966 Venediger
1968 Spezi Auslese, Pikkolo Filter (Zigarillo)
1969 Flip
Die Stückpreise dieser Neueinführungen bewegten sich zwischen 90 Groschen (Enzian) und 10 Schilling (Olympicos). 16

 

Im ersten Quartal 1960 ging der Absatz der Zigarren um 1,2 Millionen auf 19,3 Millionen Stück zurück. Während im Jahr zuvor fast ausschließlich die Virginier für diesen Absatzrückgang verantwortlich war, schulterte sich diese Last auf mehrere Sorten. Stiegerungen erlebten nur noch Coronas, Arlberg, Portorico, Spezi und in Summe die Importsorten. 17

1961 ging es mit dem Zigarrenabsatz wieder leicht bergauf. Der Gesamtabsatz überschritt leicht die 100-Millionen-Stück-Grenze. Innerhalb des Zigarrensortiments haben einige Sorten wie Großglockner, Spezi und Portorico - neben Senor und Virginier, die mit 41 bzw. 16 Millionen Stück weit an der Spitze lagen - kräftig angezogen und dazu beigetragen, den Durchschnittspreis für Zigarren leicht anzuheben. Wie die Austria Tabakwerke AG aber einräumte, waren den Neueinführungen Wachauer und Kavalier eher nur bescheidener Erfolg beschieden. Der wertmäßige Absatz der Tabakwaren insgesamt legte zwischen 1950 und 1961 von 1,586 Millionen Schilling auf 3,266 Millionen Schilling zu. 18

Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch ein Blick darauf, wer wie hoch an den Umsatzgewinnen beteiligt war. Am Beispiel 1973 zeigte sich: von den 8,22 Milliarden Schilling Umsatz, den die Austria Tabakwerke AG damals machte, gingen in Form von Steuern und Abgaben 5,53 Milliarden (67,3 Prozent) an den Staat. 1,42 Milliarden Schilling (17,2 Prozent) entfielen auf Verleger und Trafikanten in Form der Handelsspanne. Der Austria Tabakwerke AG selbst verblieben 1,27 Milliarden (15,5 Prozent) als Gewinn. 19

©Helmut Spreitzer

 

1, 5, 7, 15, 16  Reiter, Rudolf, Geschichte der Austria Tabakwerke AG von 1939 bis 1970, Universität Wien, 1980
1a Wirtz, Dieter H. Davidoff - Legende-Mythos-Wirklichkeit, Econ Verlag, Berlin 1981
2 Trost, Ernst: Rauchen für Österreich, Carl Gerolds Sohn Verlagsbuchhandlung, Wien 2003
3, 4 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Tabakregie, 
Jahrgang 1951, 2.Heft, August 1951
6 Das Magazin „Zum Besten der Bedürfnisse des Staates", Sonderedition 2018, www.allestabak.net, 
Hrsg. Helmut Spreitzer, Wien 2018
8 Dedovich, Alfred: Das Tabakverschleißwesen in Österreich 1945-1955 
9 WIFO, Die wirtschaftliche Lage in Österreich, Heft 3 1950
10 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Tabakregie, 
Jahrgang 1952, 2.Heft, Juni 1952
11 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Tabakregie, 
Jahrgang 1952, 1.Heft, Jänner 1952
12 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Austria Tabakwerke AG, 
Jahrgang 1958, 1.Heft, Jänner 1958
13 Linzer Volksblatt, 25.5.1955
14 Arbeiter-Zeitung, 18.10.1955
17 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Austria Tabakwerke AG, 
Jahrgang 1960, 1.Heft, Juli 1960
18 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Austria Tabakwerke AG, 
Jahrgang 1962, 3.Heft, Juli 1962
19 Fachliche Mitteilungen der Österreichischen Tabakregie, Hrsg. von der Generaldirektion der Austria Tabakwerke AG, 
Jahrgang 1974, 15.Heft, Juni 1974

 

Bildquellen: JTI Collection , Museum Fürstenfeld ©Spreitzer

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